Schätzungsweise 101 Millionen Menschen über 16 Jahren in der Europäischen Union haben offiziell den Behindertenstatus erhalten – fast jeder vierte erwachsene EU-Bürger. Für viele bedeutet dies, dass sie bei der Wahrnehmung grundlegender Rechte – vom Zugang zu Bildung und Beschäftigung über die Gesundheitsversorgung bis hin zur Teilnahme am kulturellen Leben – weiterhin mit Hindernissen konfrontiert sind.

Die Zahlen sprechen für sich. Fast die Hälfte aller Menschen mit Behinderungen berichtet von Diskriminierung. Jeder fünfte junge Erwachsene im Alter zwischen 20 und 26 Jahren ist arbeitslos. Fast jeder Dritte ist von Armut oder sozialer Ausgrenzung bedroht. Gleichzeitig ist die Schulabbruchquote von Schülern mit Behinderung doppelt so hoch wie bei nichtbehinderten Altersgenossen.

Um diese Ungleichheiten zu beseitigen, hat die Europäische Kommission die Strategie für die Rechte von Menschen mit Behinderungen 2021–2030 ins Leben gerufen , die einen Fahrplan für ein inklusiveres Europa vorgibt. Ein zentraler Bestandteil dieser Strategie ist die Einführung zweier EU-weiter Dokumente: des Europäischen Behindertenausweises und des Europäischen Parkausweises für Menschen mit Behinderungen .

Ein Dokument, das Türen öffnet

Derzeit verfügen alle 27 Mitgliedstaaten über eigene Systeme zur Feststellung einer Behinderung und zur Ausstellung entsprechender Ausweise. Diese nationalen Dokumente werden jedoch selten grenzüberschreitend anerkannt. Der neue Europäische Behindertenausweis soll dies ändern. Er dient als einheitlicher, EU-weiter Nachweis des Behinderungsstatus und ergänzt bestehende nationale Ausweise, ersetzt sie aber nicht.

Die Karte ist sowohl in physischer als auch in digitaler Form erhältlich und soll grenzüberschreitende Reisen erleichtern und einen gleichberechtigten Zugang zu Leistungen und Diensten in anderen Mitgliedstaaten gewährleisten – sodass EU-Bürger mit Behinderungen wie Einheimische behandelt werden, egal wohin sie gehen.

Parkausweis: Ein Format, gemeinsame Rechte

Die zweite Säule der Initiative ist der europäische Parkausweis für Menschen mit Behinderungen , der die bestehenden nationalen Ausweise vollständig ersetzen wird. Die Einführung eines EU-weit einheitlichen Formats soll derzeitige Unstimmigkeiten und Verwirrungen rund um das Parkrecht beseitigen.

Die neue Karte garantiert den Zugang zu ausgewiesenen Parkplätzen, verlängerte Parkzeiten, Vorzugstarife und die Einfahrt in emissionsarme oder verkehrsberuhigte Zonen. In der Praxis bedeutet dies mehr Freiheit und Autonomie für Menschen mit Behinderungen – unabhängig davon, wo sie innerhalb der EU leben oder reisen.

Konkrete Vorteile: Rabatte, Zugang und Support

Beide Karten sollen den Alltag spürbar verbessern. Karteninhaber können sich auf eine Reihe von Vorteilen freuen, darunter:

  • Freier oder ermäßigter Eintritt zu kulturellen und sportlichen Veranstaltungen
  • Bevorzugter Zugang und kürzere Wartezeiten
  • Recht auf persönliche Assistenz
  • Erlaubnis zur Mitnahme von Assistenzhunden
  • Verfügbarkeit von Audio- und Videoguides
  • Mobilitätsunterstützungsdienste
  • Erweiterte oder speziell gekennzeichnete Parkplätze
  • Erleichterter Zugang zu verkehrsberuhigten Zonen

Die Karten werden von den nationalen Behörden ausgestellt, die auch die Berechtigungskriterien festlegen. Laut der Europäischen Kommission sollen die Karten voraussichtlich bis 2028 verfügbar sein. In der Zwischenzeit bereiten die Mitgliedstaaten die notwendigen rechtlichen und administrativen Rahmenbedingungen vor, um eine reibungslose Einführung zu gewährleisten.

Starke Strategie, breite Perspektive

Das Konzept der Chartas ist nur eines von vielen Elementen der Gleichstellungsstrategie der EU. Das neue Aktionsjahrzehnt soll sicherstellen, dass Menschen mit Behinderungen uneingeschränkt an der Gesellschaft teilhaben können – unabhängig von Geschlecht, Alter, ethnischer Zugehörigkeit, Religion oder sexueller Orientierung.

Die Strategie baut auf der UN-Behindertenrechtskonvention auf und schließt Menschen mit sichtbaren und unsichtbaren Behinderungen ein – von körperlichen über sensorische bis hin zu geistigen. Sie berücksichtigt auch das Risiko der Mehrfachdiskriminierung, dem beispielsweise Frauen, Flüchtlinge, ältere Menschen oder Kinder mit Behinderungen ausgesetzt sind.

Die Ziele sind klar definiert:

  • Chancengleichheit und gleichen Zugang zu Bildung, Beschäftigung, Gesundheitsdiensten und Justiz zu gewährleisten;
  • den Menschen die Möglichkeit zu geben, zu entscheiden, wo und wie sie leben möchten;
  • Beseitigung infrastruktureller und sozialer Barrieren;
  • Förderung der Eigenständigkeit und Deinstitutionalisierung;
  • Stärkung der Rolle der EU als weltweite Führungsmacht im Bereich der Rechte von Menschen mit Behinderungen.

Leitinitiativen – Von der Vision zur Tat

Die EU-Strategie zugunsten von Menschen mit Behinderungen sieht eine Reihe von Vorzeigeprojekten vor, die echte, spürbare Veränderungen bewirken sollen:

Neue Personalstrategie der EU – Maßnahmen zur Förderung der Vielfalt und Inklusion von Menschen mit Behinderungen in den EU-Institutionen.

Auf dem Weg zu einem barrierefreien Europa

Die Europäische Union verfolgt aktiv ein barrierefreies Europa. Grundlage hierfür ist die enge Zusammenarbeit zwischen der Europäischen Kommission und ihren Mitgliedstaaten. Diese Strategie erfordert die aktive Beteiligung der Mitgliedstaaten an der Entwicklung nationaler Aktionspläne im Einklang mit der UN-Konvention. Brüssel gibt die allgemeine Richtung vor und erwartet von allen beteiligten Nationen konkrete Maßnahmen.

Mit neuen Chartas und zahlreichen Initiativen arbeitet die EU daran, allen Bürgerinnen und Bürgern, unabhängig vom Grad ihrer Behinderung, ein Leben ohne Einschränkungen zu ermöglichen. Dieses Engagement unterstreicht die anhaltende Bedeutung der Gleichstellung als Grundprinzip des europäischen Projekts.

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