Junge Menschen in Europa haben es psychisch schwer. Man sieht es überall – in der Schule, online – und manchmal hat man das Gefühl, niemand wüsste wirklich, wie man helfen kann, oder bemerkte überhaupt den Unterschied zwischen jemandem, der wirklich Probleme hat, und jemandem, der nur online nach Aufmerksamkeit sucht.

Zwischen Einsamkeit und Bildschirm

Junge Menschen in Europa stehen im Mittelpunkt einer sich verschärfenden psychischen Gesundheitskrise. Experten schlagen Alarm: Immer mehr junge Menschen leiden unter Angstzuständen, Depressionen, Identitätsverwirrung und einem allgegenwärtigen Gefühl der Leere. Das Problem ist nicht mangelndes Handeln, sondern fehlende Orientierung.

Ein aktueller Bericht mit dem Titel „ Eine Vision für das psychische Wohlbefinden junger Menschen in Europa“ macht es deutlich: Wir brauchen einen sektorübergreifenden, integrierten Ansatz, der das psychische Wohlbefinden junger Menschen in den Mittelpunkt der öffentlichen Politik stellt.

Während die EU-Institutionen Präventionsinstrumente entwickeln und frühzeitige Interventionen fördern, behindert das Fehlen einer gemeinsamen Erfolgsdefinition und messbarer Ziele echten Fortschritt. Ohne sie bleibt die Politik im Bereich der psychischen Gesundheit fragmentiert – und junge Menschen bleiben verloren.

Der Bericht argumentiert, dass das Wohlbefinden der Menschen nicht in den Hintergrund treten darf. Es muss zum Ausgangspunkt aller Bildungs-, Sozial- und Digitalpolitik werden.

Wenn Universitätsgelände zu Orten der Angst werden

Ein tragischer Vorfall an der Universität Warschau schockierte die Nation: Ein Student griff Universitätsmitarbeiter mit einer Axt an . Eine 53-jährige Empfangsdame wurde getötet; ein 39-jähriger Sicherheitsbeamter schwebt in kritischem Zustand.

Noch beunruhigender? Einige Zeugen griffen nicht ein – sie begannen mit der Aufnahme. Die Videos verbreiteten sich wie Memes in den sozialen Medien: geteilt, kommentiert, weitergeleitet.

Warum? Was bringt jemanden dazu, eine Tragödie live zu streamen, anstatt Hilfe anzubieten?

Laut der Psychotherapeutin Joanna Sokolińska ist das nicht immer ein Zeichen von Grausamkeit. „Es ist ein Bewältigungsmechanismus“, erklärt sie. „Filmen hilft Menschen, emotional Abstand zu gewinnen. Es ist eine Abwehrmaßnahme.“

Doch statt Reflexion und Empathie zu fördern, schüren soziale Medien oft das Chaos und verwandeln Traumata in ein virales Spektakel.

Verloren, erschöpft, unsichtbar

Vom Hammerangriff auf ein polnisches Gymnasium bis zum Selbstmord der 16-jährigen Maja aus Mława: Die jüngsten Tragödien offenbaren eine tiefere Identitäts- und Wertekrise. Viele junge Menschen leben isoliert in digitalen Echokammern, ohne reale Kontakte oder vertrauenswürdige Erwachsene, mit denen sie reden können.

Auf lokaler Ebene wird viel Gutes getan, um jungen Menschen zu helfen. Doch ohne nationale Programme, die sie unterstützen und ihnen beim Wachsen helfen, erhalten sie nicht die nötige Aufmerksamkeit. Selbst Gruppen, die sich wirklich Mühe geben, haben nicht genug Mittel, um so vielen Kindern zu helfen, wie nötig.

Lehrer, Sozialarbeiter und lokale Beamte brauchen Schulungen und Unterstützung. Und junge Menschen brauchen einen Anker – in einer Welt, die sich zunehmend instabil und unsicher anfühlt.

Besonders besorgniserregend sind die Auswirkungen digitaler Plattformen. Instrumente wie der Digital Services Act oder die Strategie „Better Internet for Kids“ bieten zwar einen gewissen Schutz, doch es bedarf entschiedenerer Maßnahmen: Altersbeschränkungen, Transparenz der Algorithmen und Aufklärung über digitale Hygiene.

Wenn Telefone zu Ersatzeltern werden

Die Verantwortung, Vertrauen und emotionale Sicherheit wiederherzustellen, liegt oft bei den Bezugspersonen – Eltern, Lehrern, Trainern. Doch viele fühlen sich nicht in der Lage, mit jungen Menschen über Gefühle zu sprechen.

Initiativen wie Connecting Generations oder Nightline Europe wollen diese Lücke schließen, indem sie Kommunikationstools und gegenseitige Unterstützung anbieten. Genauso wichtig ist es aber, dass pflegende Angehörige nicht allein gelassen werden – insbesondere nicht an ihrem eigenen Arbeitsplatz.

„Eltern fühlen sich oft hilflos und isoliert. Auch sie brauchen sichere Orte, an denen sie um Hilfe bitten können“, sagt Nuala Flewett von Ambitious about Autism .

Aus diesem Grund empfiehlt der Bericht Ressourcen zur Förderung des psychischen Wohlbefindens nicht nur für Jugendliche, sondern auch für Erwachsene, auch am Arbeitsplatz.

Schulen als Labore der Resilienz

Bildung darf nicht von Emotionen getrennt werden. Jungen Menschen beizubringen, mit Stress umzugehen und Emotionen zu regulieren, ist kein Luxus – es ist eine Überlebensstrategie.

Schulen und Universitäten sollten sichere Orte sein, an denen psychisches Wohlbefinden eine Grundvoraussetzung ist und nicht optional. Programme wie „ Tackle Your Feelings“ , in denen sich Sportler für emotionale Gesundheit einsetzen, zeigen, wie Vorbilder helfen können, Tabus zu brechen.

Mentale Belastbarkeit sollte ebenso gezielt gefördert werden wie akademische Fähigkeiten. Es ist nicht nur eine Investition in gute Noten – es ist eine Investition in die Zukunft unserer Gesellschaft.

Junge Menschen wollen nicht passiv sein – sie wollen Partner sein

Der Bericht ist eindeutig: Die Politik im Bereich der psychischen Gesundheit sollte nicht für junge Menschen, sondern gemeinsam mit ihnen erfolgen.

Gleichaltrige sind in Krisen oft die erste Anlaufstelle. Junge Menschen sind diejenigen, die Tabus hinterfragen und Narrative verändern können. Dafür müssen sie aber wirklich einbezogen werden – nicht nur auf TikTok, sondern auch an Entscheidungstischen.

Was junge Menschen heute brauchen, ist nicht noch eine Sensibilisierungskampagne. Sie brauchen eine Gemeinschaft, die sie sieht, ihnen zuhört und ihnen hilft, einen Sinn zu finden – in einer Welt, die ihnen zunehmend unerträglich erscheint.

Diese Krise erfordert mehr als Mitgefühl – sie erfordert Handeln. Wenn wir Leben retten wollen, müssen wir zuhören, uns anpassen und ein Europa aufbauen, in dem junge Menschen nicht nur überleben, sondern wirklich aufblühen.

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