Künstliche Sonne der Erde: Chinas Fusionsmeilenstein

Im Januar dieses Jahres erreichte China einen bahnbrechenden Meilenstein in der Kernenergie und stellte mit seinem Versuchsreaktor – dem Advanced Superconducting Tokamak (EAST), auch bekannt als „künstliche Sonne“ – einen neuen Weltrekord auf.

Der Reaktor hielt 1.066 Sekunden – fast 18 Minuten – ein stabiles Hochtemperaturplasma aufrecht, ein beispielloses Ergebnis in der Geschichte der Kernfusionsforschung.

Diese Errungenschaft stellt einen bedeutenden Schritt zur Verwirklichung des uralten Traums der Menschheit dar: unbegrenzte, saubere Energie durch kontrollierte Kernfusion.

„Nachdem wir einen Stromgenerator gebaut haben, werden wir ab 2040 mit der Energieerzeugung beginnen“, sagte Dr. Song Yuntao, Direktor des Instituts für Plasmaphysik an der Chinesischen Akademie der Wissenschaften.

Der technologische Durchbruch Chinas bestätigt nicht nur seine wachsende Rolle im globalen Technologiewettlauf, sondern könnte auch die Zukunft der globalen Energie- und Klimapolitik maßgeblich prägen.

Der EAST-Reaktor in Hefei in der Provinz Anhui soll den Kernfusionsprozess nachbilden, der die Sonne antreibt. Dabei verschmelzen Wasserstoffkerne zu Helium und setzen dabei enorme Energiemengen frei.

Um diesen Prozess auf der Erde zu reproduzieren, sind allerdings extreme Bedingungen erforderlich: Das Plasma muss Temperaturen von über 100 Millionen Grad Celsius erreichen, also um ein Vielfaches heißer als der Kern der Sonne, und seine Stabilität muss über einen längeren Zeitraum aufrechterhalten werden.

Vor nicht allzu langer Zeit schienen solche Parameter unerreichbar – der bisherige Rekord von 403 Sekunden wurde 2023 ebenfalls bei EAST aufgestellt. In nur zwei Jahren hat sich die Dauer fast verdreifacht, was den rasanten technologischen Fortschritt verdeutlicht. Experten betonen, dass jeder neue Rekord uns dem Moment näher bringt, in dem kommerzielle Fusionsenergie realisierbar wird.

„Wir hoffen, die internationale Zusammenarbeit über EAST auszubauen und die Fusionsenergie für die Menschheit praktisch nutzbar zu machen“, sagte Song.

Fusionsenergie als EU-Klimastrategie

Für die Europäische Union, die sich verpflichtet hat, bis 2050 Klimaneutralität zu erreichen, wird die Fusionsenergie zu einer der Säulen ihrer Energiewendestrategie.

„In der Kommission verfolgen wir eine Netto-Null-Politik, und daher ist jede Energiequelle, die dazu beitragen kann, natürlich herzlich willkommen“, sagte Massimo Garribba, stellvertretender Generaldirektor der Generaldirektion Energie der Europäischen Kommission. „Wenn dies gelingt, entsteht ein Kreislauf, der sich im Grunde selbst erhält. Im Hinblick auf die Energiesicherheit ist dies eine sehr vorteilhafte Situation“, erklärte Garribba.

Fusionsreaktionen stoßen keine Treibhausgase aus, und ihre Abfälle sind weitaus weniger problematisch als die von herkömmlichen Kernkraftwerken. Dies macht die Fusionstechnologie zu einem potenziell wichtigen Faktor bei der Reduzierung der globalen Erwärmung und der Erreichung der Ziele des Pariser Abkommens.

Die Europäische Union unterstützt die Entwicklung dieser Technologie aktiv durch ihre Teilnahme am globalen Projekt Internationaler Thermonuklearer Versuchsreaktor (ITER).

Das Projekt im südfranzösischen Forschungszentrum Cadarache zählt zu den ehrgeizigsten wissenschaftlichen Unterfangen der Geschichte. Ziel ist der Bau des größten und modernsten Fusionsreaktors und damit der Beweis, dass es möglich ist, mehr Energie zu erzeugen, als die Reaktion verbraucht.

ITER ist ein Gemeinschaftsprojekt von 35 Ländern, darunter EU-Staaten, Großbritannien, China, Indien, Südkorea, Japan, Russland und die USA.

„Wir brauchen unbedingt alternative, innovative Technologien, um eine massive, vorhersehbare und kontinuierliche Energieversorgung der Welt zu gewährleisten“, betonte Bernard Bigot, ehemaliger Generaldirektor von ITER. „Der chinesische Beitrag ist einfach großartig. China ist hoch motiviert und erhält volle politische Unterstützung. Bisher hat das Land alle innovativen und spezifischen Komponenten termingerecht und spezifikationsgerecht geliefert. China ist daher ein wirklich vorbildlicher Partner für ITER“, sagte Bigot.

Auch China spielt eine Schlüsselrolle im Projekt und trägt rund 9 Prozent zu dessen Umsetzung bei – sowohl finanziell als auch technologisch. Dank der Erfahrungen aus dem EAST-Projekt liefert China wertvolle Daten und Lösungen, die nicht nur im ITER, sondern auch in anderen internationalen Forschungsprojekten zum Einsatz kommen.

Obwohl der Weg zur kommerziellen Anwendung der Kernfusion noch lang ist und technologische Barrieren – etwa hinsichtlich Energieeffizienz und Materialbeständigkeit – noch nicht vollständig überwunden sind, beweist die zunehmende Zahl bahnbrechender Erfolge, dass die Richtung richtig ist.

Für die EU, die sich für eine grüne Wende einsetzt, könnte die Fusionsenergie eine bahnbrechende Technologie sein – eine saubere, sichere und nahezu unbegrenzte Energiequelle. In einer Zeit zunehmender Klimaauswirkungen bieten Lösungen wie die Kernfusion echte Hoffnung auf eine Zukunft ohne Emissionen und Abhängigkeit von fossilen Brennstoffen.

Um die Entwicklung und großflächige Umsetzung dieser revolutionären Technologie zu beschleunigen, ist eine fortgesetzte internationale Zusammenarbeit – sowohl innerhalb von ITER als auch in neuen Forschungsprojekten – von entscheidender Bedeutung.

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