Vanesa Veselaj: Vom Kosovo über Nordmazedonien bis nach Kalabrien
Mit einer einfachen E-Mail, die im Alltag verloren gehen könnte, beginnt Vanesa Veselaj, die ursprünglich aus dem Kosovo stammt, aber in Tetovo, Nordmazedonien, an der Fakultät für zeitgenössische Wissenschaften und Technologien studiert, eine Reise, die ihr Schicksal nach Kalabrien führte. Durch persönliche Herausforderungen, bürokratische Hürden und das Entdecken neuer Kulturen zeigt ihre Geschichte, wie unvorhersehbare Gelegenheiten Türen zur persönlichen Transformation und den Mut öffnen können, neue Horizonte zu erschließen.
Es begann mit einer einfachen E-Mail – einer Art, die normalerweise im Alltag in Vergessenheit gerät. Doch für Vanesa Veselaj, die damals in Tetovo lebte, einer Stadt im kleinen und oft übersehenen Nordmazedonien, war diese E-Mail der Anfang von allem.
Schließlich gab es dort, wo sie aufwuchs, kaum Möglichkeiten. In einem Land, das kleiner ist als die meisten europäischen Städte, wo Kulturen zwar nebeneinander existierten, sich aber selten miteinander verflochten, und Träume vom Ausland oft nur Träume waren, schien ein Erasmus+ -Programm fast zu schön, um wahr zu sein. Doch tief in ihrem Inneren wusste sie, dass sie es versuchen musste.
„Ich erinnere mich noch, als wäre es gestern gewesen“, sagte sie lächelnd. „In der E-Mail wurde mir ein Auslandsstudium angekündigt. Ich habe sofort online alles über die Länder und Städte gelesen, was ich finden konnte. Als ich Kalabrien sah … machte es Klick. Ohne zu zögern habe ich mich beworben.“
Sie musste ein Jahr warten – Bürokratie und Universitätsregeln verlangten es. Doch als sie die Zulassung erhielt, verschwendete sie keine Sekunde. Der Traum, den sie seit ihrer Kindheit hegte – ein Traum, den sie nicht wirklich erklären, nur spüren konnte – war endlich in greifbare Nähe gerückt.
Die Stadt, die auf sie wartete
Ihr Zulassungsbescheid traf mitten in der Pandemie ein, einer Zeit, in der Angst und Unsicherheit die Welt erfasst hatten. Freunde und Familie zögerten. War es sicher, wegzugehen? War es klug? Aber sie stellte es nie in Frage.
Es gab keine Pandemie, die stark genug gewesen wäre, um mich davon abzuhalten, meinen Traum zu leben“, sagte sie schlicht.
Kalabrien empfing sie mit einer Schönheit, die nur Welthungrige wahrnehmen können. „Jeder Tag war eine Offenbarung. Neue Sprachen, neue Kulturen, verschiedene Religionen. Alles war einfach ‚wow‘ für mich. Da ich von einem Ort komme, an dem wir selten Menschen begegnen, die anders sind, war es wie frische Luft.“
Natürlich warf die Pandemie auch ihre Schattenseiten. Quarantänen, Einschränkungen, Einsamkeit. „Ja, sie hat es schwerer gemacht. Ich konnte nicht alles so frei erleben, wie ich es mir vorgestellt hatte. Aber es hat es nicht weniger schön gemacht.“ Im Gegenteil, sie hat jeden gestohlenen Moment – jedes Gespräch, jeden Spaziergang – noch wertvoller gemacht.
Der Kampf ums Bleiben
Aber vier Monate vergehen schnell, wenn man in einem Traum lebt. Bald begann die Uhr zu ticken. Es war fast Zeit, nach Hause zu gehen.
Sie war nicht bereit.
Ich habe überall nach einer Möglichkeit gesucht, länger zu bleiben. Ich habe Dutzende Telefonate geführt und mit jedem Professor und Administrator gesprochen, den ich finden konnte. Ich konnte mir noch nicht vorstellen, wegzugehen.“
Die meisten Antworten waren gleich: Nein. Sie musste nach Tetovo zurückkehren, ihr Studium beenden und weiterziehen. Doch dann … ein kleines Wunder.
„Ein Uni-Mitarbeiter hat einen Weg gefunden. Ein Praktikum in einer anderen Stadt. Vier weitere Monate. Ohne zu zögern habe ich zugesagt. Ich wäre auch geblieben, wenn es nur ein Tag länger gewesen wäre.“
Und so ging ihre Geschichte weiter – nicht in der Stadt, in die sie sich zum ersten Mal verliebt hatte, sondern an einem neuen Ort. Irgendwo, wo sie noch größere Überraschungen erleben würde.
Treffen mit den vergessenen Cousins
Die neue Stadt war anders. Älter, ruhiger. Und sie barg ein Geheimnis: Sie war die Heimat der Arbëreshë. Außerhalb Süditaliens kennen nur wenige ihre Geschichte. Die Arbëreshë sind Nachkommen von Albanern, die vor fünf Jahrhunderten vor der osmanischen Eroberung aus ihrer Heimat flohen. In diesen verschlafenen italienischen Dörfern hielten sie an ihrer Sprache, ihren Liedern und ihren Traditionen fest – und bewahrten hartnäckig ein Stück Albanien, das anderswo längst verschwunden war.
„Ich hatte noch nie zuvor Arbëreshë-Albaner getroffen“, sagte sie mit bewegter Stimme. „Jedes Gespräch erfüllte mich mit Tränen und Stolz.“
Sie sprachen ein altes, melodisches Albanisch, gespickt mit Wörtern, die zu Hause nicht mehr gebräuchlich waren. Ihre Bräuche waren von modernen Grenzen unberührt. Und sie hießen sie nicht als Besucherin, sondern als Familie willkommen. „Ich weiß noch, dass ich ihnen erzählte, ich käme aus dem Kosovo. Sie sagten zu mir: ‚Wir sind ein und dasselbe Blut.‘“
Für eine junge Frau, die so weit gereist war und nach etwas gesucht hatte, das sie nicht genau benennen konnte, war es, als würde sie in einem fernen Land einen Spiegel finden.
„Ich habe mich in ihnen wiedererkannt. In ihrer Gastfreundschaft, in ihrem Stolz, in ihrer sturen, wunderschönen Widerstandsfähigkeit.“
Nach Hause kommen – aber nicht wirklich
Schließlich musste auch das zweite Kapitel beendet werden. Nach fast zehn Monaten ließen die Regeln keine Schlupflöcher mehr zu. Sie kehrte nach Nordmazedonien zurück, ihr Diplom noch immer nicht abgeschlossen, ihr Herz für immer verändert.
„Die Rückkehr war eines der schwersten Dinge, die ich je getan habe“, gab sie zu. „Ich liebe mein Land. Aber es tat weh, an einen Ort zurückzukehren, der mir nicht das Leben bieten konnte, das ich mir vorgestellt hatte.“
Körperlich war sie zu Hause. Geistig war sie ganz woanders. Monatelang suchte, plante und träumte sie – und weigerte sich zu glauben, dass diese zehn Monate alles waren, was sie bekommen würde.
„Ich hatte ein anderes Leben kennengelernt. Ein Leben, in dem sich Menschen frei zwischen den Kulturen bewegten und die Möglichkeiten endlos schienen. Ich war nicht bereit, das aufzugeben.“ Schließlich fand sie durch eine Mischung aus Beharrlichkeit, Glück und schierer Willenskraft den Weg zurück nach Italien – dieses Mal nicht nur als Besucherin, sondern für einen längeren Aufenthalt.
Ein Traum, der immer weiter wächst
Heute geht Vanesas Reise weiter. Was mit einem viermonatigen Erasmus-Austausch begann, entwickelte sich zu einer dauerhaften Veränderung – einem neuen Leben, aufgebaut auf Hoffnung, Mut und dem unerschütterlichen Glauben an etwas Besseres.
In ihrer Geschichte geht es nicht nur um Reisen durch Länder. Es geht darum, unsichtbare Grenzen zu überschreiten – zwischen Angst und Mut, zwischen Kleinheit und Möglichkeit, zwischen dem, wer wir sind und dem, wer wir werden könnten, wenn wir uns nur trauen.
Die E-Mail, die ihr einst so gewöhnlich erschien, ist nun Teil der Geschichte, die sie sich selbst erzählt: Manchmal, wenn sich die Welt verschlossen und schwer anfühlt, braucht es nur eine kleine offene Tür – und den Mut, hindurchzugehen.
Seit Juni 2021 haben über 2.200 Studierende, Lehrkräfte und Professoren aus Nordmazedonien an Erasmus+ teilgenommen und großes Interesse an Bildung, Mobilität und Austausch gezeigt. Die meisten Teilnehmer waren junge Menschen im Alter zwischen 15 und 29 Jahren, 57,5 % davon waren Frauen und Mädchen. Das Programm unterstützte 1.046 Studierende bei einem Auslandsstudium, 511 bei einem Praktikum, 359 Professoren bei Vorlesungen und 290 Lehrkräfte und Professoren bei der Teilnahme an EU-Ausbildungsprogrammen. Zu den beliebtesten Zielländern zählten die Türkei, Kroatien, Slowenien und Bulgarien. Quelle all dieser Statistiken ist die Nationale Agentur für europäische Bildungsprogramme und Mobilität, Nordmazedonien.