Die große Kehrtwende: Chrome nimmt das Tracking wieder auf

Google hatte bereits 2019 eine Revolution angekündigt und die schrittweise Abschaffung von Drittanbieter-Cookies zugunsten eines datenschutzfreundlicheren Systems namens „ Privacy Sandbox“ angekündigt . Die Idee dahinter war, Nutzer nach Interessen zu gruppieren, ohne sie zu verfolgen – und so gezielte Werbung ohne invasive Überwachung anzubieten.

Doch nun, nach vier Jahren Entwicklungszeit, nimmt Google Abstand von diesem Plan. Als Grund für das Festhalten an Cookies nennt das Unternehmen „unterschiedliche Erwartungen“ zwischen Werbetreibenden und Regulierungsbehörden – jene winzigen Dateien, die es Werbetreibenden ermöglichen, Ihr Online-Verhalten zu verfolgen und personalisierte Werbung auszuliefern.

Ein Rückschlag für Datenschutzaktivisten

Für Datenschutzexperten und Verteidiger digitaler Rechte ist dies mehr als nur eine enttäuschende Änderung – es ist ein Rückschritt.

Chrome ist der weltweit am häufigsten genutzte Browser. Die Einführung datenschutzorientierter Werbung hätte die Branchenstandards verändern können. Stattdessen, wie Johnny Ryan vom Irish Council for Civil Liberties betont, ermöglicht diese Entscheidung Unternehmen, weiterhin Nutzerdaten ohne ausreichende Sicherheitsvorkehrungen auszubeuten.

Der unabhängige Forscher Dr. Łukasz Olejnik ergänzt, dass es sich hier nicht nur um ein gescheitertes Technologieprojekt handele, sondern um ein Symptom eines größeren Problems: Privatsphäre und Datenschutz seien in der Digitalpolitik keine Top-Prioritäten mehr. Er betont zudem, dass es sowohl an technologischer Führung als auch an regulatorischem Mut mangele, um sinnvolle Veränderungen voranzutreiben.

Wenn Datenschutzgesetze nicht ausreichen, greifen Regulierungsbehörden ein

Da die Datenschutzbestimmungen die Nutzer nicht ausreichend schützen, greifen nun die Wettbewerbsbehörden ein. Seit 2021 beobachtet die britische Competition and Markets Authority (CMA) die Initiative „Privacy Sandbox“ von Google aufmerksam.

Interessanterweise begrüßte die CMA die Verzögerung bei der Abschaffung von Cookies. Sie argumentierte, dass deren Abschaffung Googles Dominanz im digitalen Werbemarkt stärken und kleinere Wettbewerber verdrängen könnte.

Ein CMA-Sprecher warnte, ein vollständiges Cookie-Verbot könnte kleine Unternehmen vom Werbe-Ökosystem ausschließen. Warum? Weil Google durch Dienste wie YouTube, Maps und die Google-Suche bereits über riesige Datenpools verfügt – und sich damit einen unfairen Vorteil verschafft.

Monopoly-Kämpfe und Gerichtsschlachten

Außerhalb Europas verschärft sich der Kampf gegen Big Tech. Ein US-Gericht entschied kürzlich, dass Google ein illegales Monopol im Ad-Tech-Bereich aufgebaut habe – eine Analogie zu ähnlichen Untersuchungen der Europäischen Kommission zu den GoogleAd-Diensten.

Googles Antwort? Das Unternehmen behauptet, an datenschutzfreundlicheren Tools wie Upgrades des Inkognito-Modus, IP-Adressschutz und KI-basierten Sicherheitsvorkehrungen zu arbeiten. Das Unternehmen räumt jedoch auch ein, dass widersprüchliche Forderungen von Industrie, Nutzern und Regulierungsbehörden die Einführung eines einheitlichen Datenschutzrahmens erschweren.

Wenn Privatsphäre zum Verhandlungsobjekt wird

Für viele Analysten ist Googles Entscheidung nicht nur ein gescheitertes Experiment, sondern auch ein gefährlicher Präzedenzfall. Es gibt wachsende Befürchtungen, dass wegweisende Vorschriften wie die DSGVO oder die ePrivacy-Richtlinie nicht mehr wirksam durchgesetzt werden.

Wie Johnny Ryan betont, greifen jetzt die Wettbewerbshüter dort ein, wo die Datenschutzbehörden versagen.

Dr. Olejnik warnt unterdessen, dass eine erneute Öffnung der DSGVO oder anderer Datenschutzrahmen nach hinten losgehen könnte. Sie könnte zu einem schwächeren Schutz führen und der Lobbyarbeit von Unternehmen Tür und Tor öffnen, die darauf abzielt, bestehende Regeln zu verwässern.

Eine veränderte Landschaft, dieselben alten Praktiken

Laut Anthony Chavez, Vizepräsident von Privacy Sandbox, sieht die Tech-Welt heute ganz anders aus als 2019. Es entstehen zwar neue Datenschutz-Tools, darunter auch KI-basierte – doch das reicht nicht aus, um Google zu Veränderungen zu bewegen.

Anstatt Cookies von Drittanbietern standardmäßig zu deaktivieren, überlässt Chrome die Entscheidung den Benutzern – versteckt in den Browsereinstellungen.

Für das dritte Quartal 2025 ist der IP-Schutz im Inkognito-Modus geplant. Auch andere Sicherheitsfunktionen wie Safe Browsing, Kennwortüberprüfung und KI-gestützte Schutzmechanismen werden weiterentwickelt.

Werbung dominiert immer noch das Internet

Trotz Versprechen von Zusammenarbeit und Investitionen in sicherere Technologien bleibt eines unverändert: Werbung dominiert weiterhin das Internet. Und solange Profite über Prinzipien stehen, muss der Datenschutz wohl auf bessere Zeiten warten.

Fazit für junge Europäer:
Wie wir unsere Daten online schützen – oder nicht schützen –, hängt von mehr als nur Werbung ab. Es geht darum, wer die Informationen kontrolliert, wer unser digitales Erlebnis prägt und welches Internet wir uns für die Zukunft wünschen. Angesichts anhaltender Debatten um Datenschutz, Regulierung und die Macht der Big Tech-Unternehmen sind Ihre Stimme und Ihr Bewusstsein wichtiger denn je.

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