Im vergangenen Jahr hat sich X-Eigentümer Elon Musk ausführlich zur europäischen Politik geäußert. So unterstützte er beispielsweise die Alternative für Deutschland bei den Bundestagswahlen im Februar und verteidigte den italienischen Vizepremier Matteo Salvini gegen den Vorwurf der Entführung von Migranten, als er Innenminister in der Regierung von Giuseppe Conte war.

Musk kritisierte außerdem die Annullierung der ersten Runde der rumänischen Präsidentschaftswahlen aufgrund des Verdachts, dass es vom Kreml unterstützte Desinformationskampagnen zur Unterstützung des Wahlsiegers gegeben habe.

Angesichts dieser Einmischung sind Bedenken aufgekommen, dass die Algorithmen von X möglicherweise manipuliert werden könnten, um Inhalte von Kandidaten oder Parteien zu fördern, die von Musk bevorzugt werden. Dies hat eine Diskussion über den größeren Einfluss digitaler Plattformen auf die europäischen Demokratien und darüber, wie die Europäische Kommission damit umgehen könnte, angeheizt.

Meinungsfreiheit vs. algorithmischer Einfluss

Der Digital Services Act (DSA) der EU soll für mehr Sicherheit und Transparenz im Internet sorgen – insbesondere auf großen Plattformen wie X, Meta (Facebook, Instagram) oder TikTok. Das Gesetz erlaubt jedoch keine direkte Zensur oder das Verbot von Plattformen, nur weil ihre Eigentümer politische Meinungen äußern.

Tatsächlich haben Plattformbetreiber – wie jeder Bürger – das Recht auf freie Meinungsäußerung, einschließlich der Unterstützung politischer Kandidaten. Deshalb erklärte die Europäische Kommission nach einem vieldiskutierten X-service-Gespräch zwischen Elon Musk und der AfD-Co-Vorsitzenden Alice Weidel, das Interview verstoße nicht gegen den DSA – obwohl Musk offen dazu aufgerufen hatte, die Alternative für Deutschland zu wählen.

Der DSA verbietet jedoch die Manipulation von Algorithmen, um politische Inhalte künstlich zu fördern oder zu behindern. Darüber hinaus sind Plattformen dafür verantwortlich, das Risiko einer Beeinflussung von Wahlen durch ihre Algorithmen zu bewerten und zu reduzieren.

Könnte die EU eine Plattform wie X tatsächlich verbieten?

Technisch gesehen ja – aber nur in extremen Fällen. Die Europäische Kommission kann Plattformen bei Verstößen gegen den DSA mit Geldstrafen von bis zu 6 % ihres weltweiten Jahresumsatzes belegen. Sie kann Plattformen außerdem einer verstärkten Überwachung unterziehen und bei Verstößen gegen die EU-Vorschriften tägliche Strafen von bis zu 5 % des Tagesumsatzes verhängen.

Eine vollständige Sperre oder ein Verbot käme jedoch nur in Betracht, wenn:

  • Die Plattform verstößt trotz Geldstrafen weiterhin gegen den DSA.
  • Die Verstöße führen zu schweren Schäden für die Nutzer,
  • Und die Inhalte verleiten zu Straftaten , die eine Gefahr für Leben oder öffentliche Sicherheit darstellen.

Selbst dann müsste die Europäische Kommission ein formelles Verfahren durchlaufen, um den Betrieb einer Plattform in der EU vorübergehend auszusetzen.

Reichen die aktuellen Regeln aus?

Einige EU-Regierungen sind sich da nicht so sicher. Während der politische Wahlkampf in der gesamten Union an Fahrt gewinnt, wächst die Sorge, ob die aktuellen Regeln ausreichen, um demokratische Prozesse zu schützen.

Der scheidende deutsche Digitalminister signalisierte Anfang des Jahres, dass die Regierung von Olaf Scholz bereit sei, bei Bedarf strengere Gesetze vorzuschlagen. „Wir werden nicht zulassen, dass unsere Demokratie durch Plattform-Algorithmen untergraben wird“, erklärte er und forderte anhaltende Wachsamkeit auf EU-Ebene. Es ist offen, ob die Haltung des neuen Kabinetts unter Friedrich Merz ebenso streng sein wird.

Auch die Digitalminister anderer EU-Länder betonten die Notwendigkeit einer engeren Zusammenarbeit zwischen Regierungen und Social-Media-Unternehmen, insbesondere bei der schnellen Erkennung und Entfernung von Desinformationen.

Was kommt als nächstes?

Ein EU-weites Verbot einer Plattform wie X ist zwar höchst unwahrscheinlich, doch eine verstärkte Regulierung und Überwachung zeichnet sich ab. Die EU strebt ein Gleichgewicht zwischen dem Schutz demokratischer Wahlen und der Wahrung der Grundrechte, einschließlich der Meinungsfreiheit, an.

Eines ist klar: Da die Tech-Milliardäre immer mehr Einfluss auf den öffentlichen Diskurs gewinnen, wächst auch der Druck auf die EU-Institutionen, entschlossen – und verantwortungsvoll – zu handeln.

Geschrieben von

Gestalten Sie das Gespräch

Haben Sie etwas zu dieser Geschichte beizutragen? Haben Sie Ideen für Interviews oder Blickwinkel, die wir untersuchen sollten? Lassen Sie uns wissen, ob Sie eine Fortsetzung oder einen Kontrapunkt schreiben oder eine ähnliche Geschichte erzählen möchten.