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Fettgedruckte Schlagzeilen, rote Untertitel, Ausrufezeichen – die Medienlandschaft gleicht heutzutage leicht einem Schlachtfeld. Um Aufmerksamkeit zu erregen, konzentrieren sich viele Redaktionen auf negative Geschichten, die sich tendenziell leichter verbreiten, vor allem, weil unser Gehirn darauf programmiert ist, stärker auf schlechte Nachrichten zu reagieren. Laut Reuters geben 39 % an, dass sich die Nachrichten negativ auf ihre Stimmung auswirken – der Hauptgrund für die Vermeidung von Nachrichten. Gleichzeitig fühlen sich viele Empfänger überfordert und verspüren sogar ein Gefühl erlernter Hilflosigkeit – ein „apathischer Zustand“, der „aus der Konfrontation mit unlösbaren Problemen oder unausweichlichem physischen oder emotionalen Stress“ resultiert, wie es Oxford Reference beschreibt. Eine Vermeidungsreaktion gegenüber den Medien wird wahrscheinlicher.
Hier kommt der Konstruktive Journalismus ins Spiel, denn er zielt darauf ab, „der Nachrichtenvermeidung entgegenzuwirken und Nachrichtenkonsumenten vor den negativen Auswirkungen der Nachrichten auf ihre Stimmung und psychische Gesundheit zu schützen“ – so das Constructive Institute, ein unabhängiges Zentrum für Konstruktiven Journalismus an der Universität Aarhus in Dänemark, das vom dänischen Journalisten Ulrik Haagerup gegründet wurde.
Was ist konstruktiver Journalismus?
„Konstruktiver Journalismus ist im Grunde eine Kombination aus Werkzeugen, Methoden und einer Denkweise – es geht darum, darüber nachzudenken, welche Art von Journalismus wir brauchen, um unserem Publikum den besten Service zu bieten“, erklärt Lisa Urlbauer, Leiterin der Journalistenausbildung am Bonn Institute. Das Bonn Institute – übrigens vom Constructive Institute mitbegründet – setzt sich für die Förderung des konstruktiven Journalismus ein und unterstützt Journalisten beim Erlernen und Anwenden des Konzepts.
Lisa Urlbauer identifiziert drei Hauptaspekte des konstruktiven Journalismus:
1. Fokus auf Lösungen – neben der Problemberichterstattung geht es darum, zu untersuchen, was zur Problembehebung unternommen wird
2. Die in der Berichterstattung gezeigten Perspektiven erweitern und gleichzeitig den Fokus auf Menschen legen, die normalerweise nicht gehört werden, aber betroffen sind
3. Werkzeuge und Elemente, die einen konstruktiven Dialog in der Berichterstattung in den Mittelpunkt stellen. (z. B. andere Interviewfragen, die Rolle des Journalisten neu überdenken)
Konstruktiver Journalismus ist daher ein publikumsorientierter Ansatz, der negative Voreingenommenheit vermeidet, wie Liesbeth Hermans, Professorin für Konstruktiven Journalismus an der Universität Windesheim in den Niederlanden, beschreibt. Sie betont zudem den Wert sozialer Verantwortung im konstruktiven Journalismus. Im Journal of Media Innovations weisen Assistenzprofessorin Karen McIntyre aus Oregon und die dänische Journalistin Cathrine Gyldensted – die nebenbei bemerkt auch dafür bekannt ist, dem Konzept wie Ulrik Haagerup internationale Aufmerksamkeit zu verschaffen – zudem auf den Einsatz von Techniken der positiven Psychologie in der Berichterstattung hin.
INFO: Auch wenn sie oft mit der gleichen Bedeutung verwendet werden, sind konstruktiver Journalismus und Lösungsjournalismus nicht dasselbe, aber Lösungsjournalismus ist ein Teil des konstruktiven Journalismus – wie auch in den drei Hauptaspekten des konstruktiven Journalismus sichtbar wird.
Lisa Urlbauer, Bonn-Institut. Foto © Bonn-Institut