Demokratie unter Druck

Für eine aktuelle Studie wurden 6.768 junge Menschen aus sieben Ländern befragt: Großbritannien, Deutschland, Frankreich, Spanien, Italien, Griechenland und Polen. Die Umfragen wurden im Frühjahr dieses Jahres sowie im April und Mai durchgeführt. Durchschnittlich 57 Prozent der Teilnehmer gaben an, die Demokratie als Regierungssystem zu bevorzugen. In Deutschland lag dieser Wert mit 71 Prozent deutlich höher – ein starkes Vertrauen in demokratische Werte.

In Polen, Spanien und Frankreich fielen die Ergebnisse deutlich niedriger aus. Nur 48 Prozent der jungen Polen befürworteten die Demokratie, in Frankreich waren es 52 Prozent und in Spanien 51 Prozent. Gleichzeitig zeigen sich immer mehr junge Menschen offen für alternative Regierungsformen. 21 Prozent aller Befragten gaben an, unter bestimmten – nicht näher spezifizierten – Bedingungen eine autoritäre Regierung akzeptieren zu können. In Polen lag dieser Wert mit 23 Prozent sogar noch höher, womit das Land neben Frankreich und Spanien unter den ersten drei liegt.

Jeder zehnte junge Europäer gab zu, dass ihm das politische System seines Landes eigentlich egal sei. Weitere 14 Prozent konnten sich überhaupt nicht entscheiden.

„Die Demokratie steht heute unter Druck, sowohl von innen als auch von außen“, warnt Professor Thorsten Faas , Politikwissenschaftler an der Freien Universität Berlin und Mitautor des Berichts. Besonders besorgniserregend sei, dass unter jungen, rechtsgerichteten Menschen, die sich wirtschaftlich abgehängt fühlen, die Unterstützung für die Demokratie auf nur noch ein Drittel gesunken sei.

Wachsende Sorgen um die Zukunft

Fast die Hälfte der jungen Europäer macht sich Sorgen um die Zukunft der Demokratie. In Polen äußerten 48 Prozent ihre Besorgnis über die Zukunft der Demokratie, in Deutschland waren es sogar 61 Prozent. Das ist eine bemerkenswerte Veränderung, wenn man bedenkt, dass Deutschland zuletzt als Symbol der Stabilität galt.

Ein ähnliches Maß an Angst wurde in Spanien und Frankreich festgestellt, zwei Ländern, die mit sozialen Spannungen, wirtschaftlichen Problemen und einem Anstieg populistischer Einstellungen konfrontiert sind.

Auf die Frage, welche Länder und Organisationen heute den größten Einfluss auf die Welt haben, nannten junge Europäer am häufigsten die USA (83 %), China (75 %) und Russland (57 %). Die Europäische Union belegte nur den vierten Platz – nur 42 % sahen sie als Schlüsselakteur. Interessanterweise hält in Großbritannien – auch nach dem Brexit – die Hälfte der jungen Menschen die EU weiterhin für eine wichtige globale Kraft, und 73 % würden sich einen Wiederbeitritt Großbritanniens wünschen.

Trotz wachsender Kritik wollen zwei Drittel der jungen Europäer, dass ihr Land in der EU bleibt. Fast die Hälfte (47 %) befürwortet zudem eine engere Zusammenarbeit zwischen der EU und Großbritannien.

Demokratie in Europa/ Foto: Canva

Demokratie in Europa/ Foto: Canva

Polarisierung und ein konservativer Wandel

Die Studie zeigt, dass die politische Polarisierung unter jungen Europäern zunimmt. Im Jahr 2021 bezeichneten sich 14 % als rechtsgerichtet – heute sind es 19 %. Die größte Gruppe bilden die Zentristen (33 %), gefolgt von der Linken (32 %). Etwa 16 % identifizieren sich politisch keiner Seite.

Es gibt auch eine deutliche Kluft zwischen den Geschlechtern. In Deutschland, Frankreich und Italien wählen junge Frauen eher progressivere Optionen. In Polen und Griechenland hingegen tendieren junge Männer zunehmend zu konservativen Ansichten – etwas, das früher vor allem für ältere Generationen typisch war.

Auch die Zustimmung zu einer strengeren Einwanderungspolitik wächst. In den letzten vier Jahren stieg sie von 26 auf 38 Prozent.

Obwohl die meisten Befragten die EU-Mitgliedschaft weiterhin befürworten, glauben 53 Prozent, dass Brüssel sich zu sehr auf unwichtige Themen konzentriert, und 39 Prozent halten die EU für undemokratisch. Nur 6 Prozent sind der Meinung, dass ihre nationalen Regierungen gut funktionieren und keine Reformen nötig sind. Besonders groß ist die Skepsis in Griechenland, wo die Erinnerungen an die Schuldenkrise und die harten Reformen der europäischen Kreditgeber noch frisch sind.

Den Befragten zufolge sollte sich die EU vor allem auf drei große Prioritäten konzentrieren: die Senkung der Lebenshaltungskosten, die Stärkung der Außenverteidigung und die Unterstützung von Wirtschaft und Unternehmertum.

Klima verliert an Boden

Obwohl die Sorge um die Umwelt in den Äußerungen junger Europäer nach wie vor eine wichtige Rolle spielt, stellen immer mehr von ihnen wirtschaftliche Interessen in den Vordergrund. Nur etwa jeder Dritte gab an, der Kampf gegen den Klimawandel sollte Vorrang vor Wirtschaftswachstum haben. Das ist ein Rückgang um elf Prozentpunkte im Vergleich zu 2021.

„Das europäische Projekt, das jahrzehntelang Frieden, Freizügigkeit und dynamisches Wachstum brachte, wird heute von vielen jungen Menschen als zu bürokratisch und ineffektiv wahrgenommen“, resümiert Elke Hlawatschek , Geschäftsführerin der TUI Stiftung.

Die Ergebnisse dieser Studie zeigen deutlich, dass junge Polen – noch stärker als ihre Altersgenossen in anderen Ländern – das Vertrauen in die Demokratie und die EU-Institutionen verlieren. Dies ist nicht nur eine Warnung an Politiker, sondern ein Aufruf an die gesamte Gesellschaft. Die Wiederherstellung des Vertrauens junger Menschen, die gerade erwachsen werden, sollte in der öffentlichen Debatte oberste Priorität haben – wenn Europa eine Zukunft vermeiden will, die von Apathie, Enttäuschung und einem autoritären Regime geprägt ist.

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