Was ist „Gewalt als Dienstleistung“?

Gewalt, Einschüchterung und sogar Auftragsmorde werden nicht mehr an erfahrene Vollstrecker ausgelagert – stattdessen werden junge Menschen zum Gesicht eines gefährlichen neuen Trends: Gewalt als Dienstleistung (VaaS).

Kriminelle Gruppen in ganz Europa bieten Gewalt zunehmend als Geschäft an. Dieses als VaaS ( Violence as a Service ) bekannte Modell ermöglicht es Einzelpersonen oder Banden, für Gewalttaten zu bezahlen: Drohungen, Schläge und sogar Morde. Diese Verbrechen werden oft von Personen ohne persönliche Bindung zum Opfer begangen – und erschreckend oft von Minderjährigen.

Um sich zu wehren, haben sich acht europäische Länder zu einer speziellen Task Force namens OTF GRIMM zusammengeschlossen . Sie wird von Schweden geleitet und von Europol unterstützt. Weitere Mitglieder sind Belgien, Dänemark, Finnland, Frankreich, Deutschland, die Niederlande und Norwegen. Europol unterstützt die Mission durch Koordination, Informationsaustausch und Datenanalyse.

Jugendliche im Visier: Die jüngsten Rekruten der Kriminalität

Die Rekrutierung Minderjähriger für kriminelle Zwecke ist nichts Neues – doch Ausmaß, Organisation und Zweck haben sich drastisch weiterentwickelt. Laut dem EU-Bericht SOCTA 2025 spielen junge Menschen heute eine zentrale Rolle in kriminellen Strategien. Warum? Weil Minderjährige leichter zu manipulieren sind, oft mit milderen rechtlichen Konsequenzen rechnen müssen und bei den Strafverfolgungsbehörden weniger Alarm schlagen.

Das geschieht nicht zufällig, sondern strategisch. Anwerber locken Teenager mit dem Versprechen von schnellem Geld, Designerkleidung, einem auffälligen Lebensstil und einem Gefühl der Zugehörigkeit. Soziale Medien und verschlüsselte Messaging-Apps spielen dabei eine große Rolle. Manche Gangs nutzen sogar Memes und Gaming-Sprache, um Aufgaben zu „gamifizieren“ – und lassen reale Gewalt wie eine Mission in einem Videospiel erscheinen.

Kriminalität ohne Grenzen

Die heutigen kriminellen Machenschaften sind international und anonym. Jugendliche wissen oft nicht einmal, wer sie angeheuert hat – oder warum. Ein 16-Jähriger in einem Land könnte unwissentlich für eine Gang in einem anderen Land arbeiten und Aufträge ausführen, die über Chat-Apps oder Spieleplattformen erteilt wurden.

Diese jungen Rekruten werden nicht nur zu Gewalttaten aufgefordert. Viele werden in Cyberkriminalität, Drogenhandel, Erpressung oder digitale Erpressung hineingezogen. Und der Schaden geht weit über das Physische hinaus. Viele geraten in emotionale und finanzielle Abhängigkeit von ihren Anwerbern – wodurch die Grenze zwischen Opfer und Täter verschwimmt.

Die strategische Antwort von Europol

Die Gründung der OTF GRIMM dürfte einen Wendepunkt im Kampf gegen das neue Kriminalitätsmodell darstellen.

Die Gruppe hat mehrere klar definierte Aufgaben. In erster Linie soll sie die Ermittlungstätigkeiten zwischen den Ländern koordinieren, um einen effizienten Informationsaustausch und die Durchführung gemeinsamer Ermittlungen zu ermöglichen. Ziel ist es außerdem, Rekrutierungsmethoden, Kommunikationskanäle und Finanzierungswege von Straftaten genau zu erfassen.

Eine zentrale Aufgabe der OTF GRIMM wird auch die Identifizierung von Anbietern krimineller „Dienstleistungen“ sein – also von Personen und Strukturen, die professionell Gewalttaten vermitteln.

Es wird wichtig sein, mit Technologieunternehmen zusammenzuarbeiten, insbesondere mit denen, die Social-Media-Plattformen verwalten, um die Mechanismen zu identifizieren und zu blockieren, die für die Anwerbung verwendet werden.

Europol, die zentrale Schaltstelle der Operation, stellt Analyseinstrumente bereit, ermöglicht die laufende Koordinierung der Aktivitäten und führt gemeinsame Ermittlungen durch. Eine offizielle Geheimdienstmitteilung wurde bereits veröffentlicht, die das gesamte Rekrutierungssystem analysiert: von der Verwendung verschlüsselter Sprache über die in den sozialen Medien propagierten Lebensstile bis hin zur Nutzung von Gaming- und Instant-Messaging-Apps.

Wie können wir junge Menschen schützen?

Europol konzentriert sich zwar auf die Ergreifung von Kriminellen, doch Prävention ist ebenso wichtig. Eltern, Lehrer und Erziehungsberechtigte spielen dabei eine wichtige Rolle. Warnsignale können sein:

  • Plötzliche Verhaltens- oder Einstellungsänderungen
  • Teure Dinge, die sich ein junger Mensch nicht leisten können sollte
  • Verlust des Interesses, nach Taschengeld zu fragen

Europol will Kinder nicht bestrafen – sie wollen sie aus der Haft herausholen, bevor es zu spät ist. Ein Leitfaden für Familien wurde veröffentlicht, der Frühwarnzeichen und die zu ergreifenden Maßnahmen beschreibt. Er soll das Gespräch anstoßen und, falls nötig, eingreifen, bevor ernsthafter Schaden entsteht.

Wie geht es weiter?

OTF GRIMM steckt noch in den Kinderschuhen, doch die Bedrohung ist real und wächst. Da diese Verbrechen grenzüberschreitend sind, kann kein Land sie allein bekämpfen. Diese neue Welle der organisierten Kriminalität ist hochprofessionell, technisch versiert und konzentriert sich zunehmend auf Jugendliche.

Deshalb muss die Reaktion Europas ebenso entschlossen sein – schnell, vereint und zukunftsorientiert. Die Sicherheit Tausender junger Menschen könnte davon abhängen.

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