Die EU, eines der komplexesten und am meisten missverstandenen politischen Gebilde der Welt, ist häufig Ziel verzerrter Narrative, viraler Lügen und KI-gestützter Manipulation. Die meisten dieser Fehlinformationen entspringen nicht einmal dreisten politischen Anschuldigungen. Sie verstecken sich in banalen Behauptungen – über Lebensmittelsicherheit, digitale Rechte, Umweltvorschriften oder sogar die Zukunft der Währung in fünf Jahren. Für junge Menschen, die online aufwachsen und oft noch nicht wählen, aber in den sozialen Medien sehr aktiv sind, besteht die Gefahr nicht nur darin, falsch informiert zu sein. Sie werden vielmehr in die Irre geführt, ohne es zu merken.
Anfang 2024 verbreitete sich ein manipuliertes Video in den sozialen Medien. Es zeigte einen Journalisten von France 24, der berichtete, die Ukraine plane ein Attentat auf den französischen Präsidenten Emmanuel Macron. Das Video wirkte auf den ersten Blick glaubwürdig – das Logo war vertraut, der Ton ruhig – doch das gesamte Video war ein Deepfake. KI-generierte Bilder und eine synthetische Stimme wurden verwendet, um den Journalisten zu imitieren und die Geschichte zu erfinden. Das Video verbreitete sich schnell über Plattformen wie X (ehemals Twitter) und Telegram, bevor es von Faktencheckern gemeldet und entlarvt wurde. Obwohl es entfernt wurde, zeigte seine kurze Lebensdauer, wie leicht synthetische Inhalte verwendet werden können, um Vertrauen zu untergraben und Verwirrung im europäischen Informationsraum zu stiften.
Virginie Kouridaki©
Etwa zeitgleich wurde eine separate, aber ebenso beunruhigende Kampagne aufgedeckt. Bekannt als „Doppelgänger“, umfasste sie geklonte Websites, die offizielle EU- und seriöse Medien imitierten. Diese gefälschten Websites veröffentlichten Falschinformationen in einem ausgesprochen korrupten Ton, etwa Behauptungen, die EU werde Bargeld bis 2026 durch einen digitalen Euro ersetzen oder Erasmus+-Gelder zur Finanzierung militärischer Operationen umleiten. Ein Artikel behauptete sogar die Einführung einer neuen „Klicksteuer“ für Social-Media-Nutzer. Obwohl diese Geschichten erfunden waren, erweckte die visuelle Gestaltung der Websites – einschließlich der EU-Logos, des Layouts und der Sprache – den Eindruck von Authentizität. Ziel war nicht, zu schockieren, sondern subtil zu täuschen und das Vertrauen der Nutzer in vertraute Formate auszunutzen (Europäische Kommission, 2023a).
Dies sind keine Einzelfälle. Laut dem European Digital Media Observatory (EDMO) nahmen EU-bezogene Fake-Inhalte zwischen 2022 und 2024 um 35 % zu, wobei die stärksten Anstiege vor wichtigen Ankündigungen oder Ereignissen wie Wahlen und politischen Gipfeln zu verzeichnen waren (EDMO, 2024). Der Großteil dieser Desinformation kursiert in Form von kurzen Videos und Screenshots, nicht in Form langer Artikel oder Manifeste. Ihre Stärke liegt in ihrer visuellen, unmittelbaren und vor allem emotional aufgeladenen Natur.