Wenn wir über die Gesundheit unseres Planeten sprechen, denken wir meist an Wälder oder Ozeane, die von Natur aus riesige Ökosysteme bilden und für die Existenzgrundlage und das Überleben des Planeten von entscheidender Bedeutung sind. Was jedoch oft übersehen wird, ist der Boden und seine Gesundheit. In der Europäischen Union stammen 95 % der Nahrungsmittel aus dem Boden, und 60–70 % unserer Böden sind ungesund. Um es in Geld auszudrücken: 50 Milliarden Euro gehen jedes Jahr durch Bodendegradation verloren, aufgrund von Ernteeinbußen oder Schäden an der Infrastruktur.

Der Boden ist nicht nur die direkte Quelle der Nahrungsmittelproduktion, sondern trägt auch zur Regulierung von Regen, Schneeschmelze und Bewässerungswasser bei. Die im Boden enthaltenen Mineralien sind wichtig für die Filterung und Immobilisierung organischer und anorganischer Stoffe. Der Boden fördert zudem den Nährstoffkreislauf und speichert auf natürliche Weise CO2 und andere Treibhausgase. Genau wie das Meer ist der Boden die Heimat einer großen Artenvielfalt.

In diesem Jahr untersuchten Forscher in der Slowakei Spinnen , die natürliche Feinde und somit Schädlingsregulatoren sind. Sie fanden heraus, dass ökologische Landwirtschaft zu höheren Populationen und einer größeren Artenvielfalt bei Spinnen führte. In den Böden der konventionellen Landwirtschaft sind weniger Arten vertreten, und die Spinnen zeichnen sich durch ihre Fähigkeit aus, invasive landwirtschaftliche Eingriffe in den Boden zu überleben. Das Ergebnis: Eine vielfältige Bodenbewirtschaftung in der Landwirtschaft hat einen erheblichen Einfluss auf die Artenvielfalt im Ökosystem, wie die untersuchten Spinnen zeigen.

Wie so oft beschränkt sich die Wissenssperre auch auf wissenschaftliche Veröffentlichungen und Finanzprognosen, die entweder der breiten Öffentlichkeit nicht zugänglich sind oder schlicht nicht praxistauglich formuliert sind. Manchmal sehen innovative Technologien auf dem Papier gut aus, in der Praxis jedoch nicht. Landwirte, die nachhaltigere Lösungen anstreben, bleiben dann über ihre Möglichkeiten im Unklaren.

Interview mit Ing. Darina Štyriaková, PhD., Gründerin und CEO von Ekolive

Darina Štyriaková, Gründerin und Geschäftsführerin von Ekolive, sprach mit PulseZ über deren Ansatz und Technologie zur Bodenrevitalisierung. Sie schloss ihr Studium der Geologie an der Fakultät für Bergbau, Ökologie, Prozesskontrolle und Geotechnologien in Košice, Slowakei, ab und promovierte in Biotechnologien an der Slowakischen Akademie der Wissenschaften an der Fakultät für Werkstoffe, Metallurgie und Recycling. Sie forschte über 15 Jahre lang in den Bereichen Biomining, Bioremediation und Biobehandlung von Materialien. Derzeit vertritt Darina die Slowakei als Soil Mission Ambassador für die Mission Soil Platform der Europäischen Kommission und ist Mitglied von Towards zer0 Pesticide AGRIculture: Europäisches Netzwerk für Nachhaltigkeit.

Was ist Ihrer Meinung nach das dringendste Problem in der Landwirtschaft in der Slowakei oder in Europa?

Nicht nur in der Slowakei, nicht nur in Europa, sondern weltweit: Das größte Problem sehe ich darin, dass wir seit fast 100 Jahren durch den übermäßigen Einsatz von Agrochemikalien, chemischen Düngemitteln und Pestiziden systematisch unsere Böden, unsere Lebensgrundlagen zerstören.

Weltweit sprechen wir je nach Kontinent von 40 bis über 60 % degradierten Böden – in Europa sind es 62 %, davon sind 89 % landwirtschaftliche Nutzflächen. Die Folge: ein zerstörtes Bodenmikrobiom, sinkende Erträge, kranke und unresistente Pflanzen, ungesunde Produkte, kranke Tiere und kranke Menschen. Hinzu kommen in Entwicklungsländern, insbesondere in Afrika, Nahrungsmittelmangel, Hunger und eine zunehmende Verschuldung der Länder. Der Import von Agrochemikalien ist einer der größten Faktoren für die negativen Handelsbilanzen dieser Länder. Alles hängt zusammen.

In Europa hingegen haben wir das Problem, dass viele Böden überdüngt sind. Ganz abgesehen davon, dass viele Böden eigentlich schon ausreichend Elemente zur Düngung enthalten. Doch die darauf wachsenden Pflanzen nehmen diese nicht auf. Warum? Weil das Bodenmikrobiom durch den übermäßigen Einsatz von Agrochemikalien geschädigt wird und nur das Mikrobiom die Wirkstoffe für Pflanzen verfügbar macht.

Und was sind die Folgen – sowohl in Afrika als auch in Europa und überall sonst: Immer mehr Einsatz von Agrochemikalien, immer mehr zerstörte und vergiftete Böden – es ist ein Teufelskreis. Wir müssen dringend aus diesem Teufelskreis herauskommen. Deshalb sprechen wir bei ekolive von einem „Neustart des Systems“.

Was machen sie bei Ekolive?

Ihre wichtigste Innovationstechnologie heißt InnoBioTech und ist ein großer Erfolg im Bereich Biolaugung. Kennen Sie diesen Begriff? Es handelt sich um eine Technik zur Gewinnung von Mineralien aus Erzen und Bergbauabfällen mithilfe von Bakterien. Sie ist ein neuer Weg, ökoeffiziente Alternativen für die Bewirtschaftung kontaminierter Böden zu finden. Die Technologie nutzt den natürlichen Prozess der Bodenbildung durch mikrobielle Verwitterung von Mineralien. Sie recycelt minderwertige Primärmineralien und Sekundärmineralien. Ekolive arbeitet zudem mit Lebensmittelherstellern zusammen, um die Bodenbewirtschaftung zu optimieren und so die Bodengesundheit zu erhalten.

Was ist der Unterschied zwischen verschiedenen Düngemittelarten? Klassifizieren Sie Ihr Produkt als Düngemittel?

Grundsätzlich gibt es zwei Kategorien für die Einteilung landwirtschaftlicher Hilfsmittel: Düngemittel und Pestizide (auch Pflanzenschutzmittel genannt). Ob chemisch oder biologisch, jedes Produkt muss einer der beiden Hauptkategorien zugeordnet werden. Dies hat Konsequenzen für die Wirkungsversprechen der Produkte: Ein Produkt der Kategorie Düngemittel darf keine direkten Wirkungen aus der Kategorie Pestizide beanspruchen – und umgekehrt.

Auch für Pestizide gelten strenge Vorschriften hinsichtlich Lagerung und Handel. Innerhalb der Kategorie Düngemittel, für die wir unsere Produkte in allen Ländern, in denen wir tätig sind, registriert haben, gibt es – je nach Land – eine ganze Reihe von Unterkategorien: mineralische, organische, Volldünger, Pflanzenstärkungsmittel, Adjuvantien usw.

Darüber hinaus gibt es in einigen Ländern auch die Kategorie der Biostimulanzien. Diese Kategorie existiert gemäß der „neuen“ (2019) EU-Düngemittelverordnung auch auf EU-Ebene. Nach der dort festgelegten Definition würden unsere Produkte wie kaum ein anderes Produkt auf dem Markt in diese Kategorie passen – abgesehen davon, dass Biostimulanzien im eigentlichen Sinne des Wortes stimulierende Effekte auf Pflanzen haben, sowohl hinsichtlich des Pflanzenwachstums und -ertrags als auch hinsichtlich der systemischen Widerstandsfähigkeit von Pflanzen gegen Krankheiten und Pathogene – und damit hinsichtlich ihrer indirekten Effekte tatsächlich irgendwo zwischen den beiden Kategorien Düngemittel und Pestizide liegen.

Aufgrund der starken Lobbyarbeit der großen Player, die den Markt dominieren und somit bestimmen, ist in dieser EU-Verordnung jedoch auch festgelegt, dass Biostimulanzien nur noch Wirkungen im Düngemittelbereich beanspruchen dürfen.

Wir müssen unsere Produkte nach den nationalen Vorschriften der einzelnen Länder zulassen. In der EU gilt grundsätzlich die Regel der gegenseitigen Anerkennung einer Zulassung in einem EU-Land – im Düngemittelbereich ist dies leider nicht in allen Ländern umgesetzt.

Ist Ihr Produkt für degradierte Böden gedacht? Oder kann es auch auf gesunden Böden eingesetzt werden?

Unsere Produkte fördern die Boden- und Pflanzengesundheit sowie das Pflanzenwachstum. Wir möchten deutlich machen, dass diese Produkte sowohl den Boden als auch die darauf wachsenden Pflanzen auf vielfältige Weise stimulieren. Dies geschieht sowohl auf gesundem als auch auf degradiertem Boden. Unsere Produkte können in jeder Art der Landwirtschaft eingesetzt werden, ob konventionell, biologisch oder regenerative.

Natürlich wirken sie je nach Boden bzw. Bodenqualität unterschiedlich stark. Aber sie funktionieren überall. Die erstaunlichsten Effekte zeigen sich jedoch auf den ärmsten Böden: In Afrika verzeichnen wir Ertragssteigerungen bei verschiedenen Nutzpflanzen von 50 bis 400 %! Denn die Böden dort sind durchweg in einem erbärmlichen Zustand.

Können Sie den Prozess der Regeneration degradierter Böden beschreiben und wie lange ein solcher Prozess dauert?

Hier muss man hinsichtlich der Definition degradierter Böden etwas differenzieren.

Erstens geht es um landwirtschaftliche Flächen, die aus unterschiedlichen Gründen und in unterschiedlichem Ausmaß degradiert sind. Dabei handelt es sich in der Regel um Böden, deren Mikrobiom durch den übermäßigen Einsatz von Agrochemikalien zerstört wurde und daher nicht mehr oder nur unzureichend funktioniert.

Daraus ergeben sich die oben genannten Folgen für die Pflanzen. Aber auch die Bodenstruktur verändert sich: Die Böden verhärten sich, trocknen aus, werden undurchlässig, speichern keine Feuchtigkeit mehr, erodieren und die Artenvielfalt nimmt drastisch ab. Natürlich gibt es dafür auch noch andere Ursachen, wie Bodenverdichtung durch Maschineneinsatz, Abholzung und die daraus resultierende Erosion und vieles mehr.

Viele Böden sind auch schlicht durch den übermäßigen Einsatz von Agrochemikalien verunreinigt, was schließlich ins Grundwasser sickert. Durch den Einsatz unserer Produkte kann dies verändert und geheilt werden: Das Mikrobiom wird reaktiviert und beginnt wieder in Symbiose mit dem Boden und den darauf wachsenden Pflanzen zu interagieren. Dies stimuliert nicht nur die Pflanzen, sondern verändert auch den Boden selbst. Er verändert seine Struktur, wird wieder porös, lässt Wasser durch und kann es speichern. CO2 aus der Luft wird aufgenommen und als Humus im Boden gespeichert, auch Nitrate werden im Boden gebunden. Die Artenvielfalt nimmt zu. Organische Schadstoffe (aus Agrochemikalien) werden abgebaut.

Dies geschieht nicht von heute auf morgen, sondern braucht Zeit, abhängig vom Grad der Degradation des jeweiligen Bodens. Die Entwicklung lässt sich jedoch recht schnell verfolgen und ist vor allem an den Pflanzen schnell sichtbar.

Zu degradierten Böden zählen darüber hinaus auch industriell kontaminierte Standorte, die organisch (z. B. mit Mineralölen) oder anorganisch (meist mit sogenannten Schwermetallen) oder sogar beides sind. Sind die Schadstoffe „nur“ organisch, können wir sie mit unserer Bioleaching-Technologie – InnoBioTech ® – in-situ, also vor Ort im „eingebauten“ Zustand, entfernen. Je nach Art und Schwere der Kontamination benötigen die Bakterien hierfür einige Wochen, im schlimmsten Fall 1-2 Jahre oder länger. Sind die Schadstoffe jedoch anorganisch, muss der kontaminierte Boden in der Regel ausgebaggert und an einem sicheren Ort, entweder auf einer Halde oder in einem Tank, mit Bakterien behandelt werden. Denn die Bakterien entfernen die Schwermetalle nicht, sondern lösen sie auf. Und diese würden dann an Ort und Stelle ins Grundwasser gelangen. Auch dies dauert unterschiedlich lange, in den meisten Fällen sind es aber nur Wochen.

Welcher Teil des Prozesses zur Erlangung der „ EU Environmental Technology Verification (ETV)“ war für Sie am herausforderndsten und welchen praktischen Nutzen hat Ihnen diese Auszeichnung gebracht?

Anspruchsvoll ist sicher das falsche Wort. Wir haben uns um diese Zertifizierung beworben; sie wurde damals von EIT RawMaterials, einem Zweig des EIT – European Institute for Innovation and Technology – ausgeschrieben. Und wir hatten das Glück, ausgewählt zu werden. Der nächste Schritt bestand darin, das zuständige Labor bzw. die Zertifizierungsstelle von unserem Verfahren zu überzeugen… aber das ging dann recht unkompliziert und schnell.

Der ETV-Award wurde nicht oft verliehen. In unserer Kategorie waren wir eines von vielleicht nur 15 Unternehmen in der EU, die dieses Zertifikat erhalten haben – und darüber freuen wir uns sehr und sind dankbar. Dieses Zertifikat ist wie ein Qualitätssiegel für unsere Technologie und die darauf basierenden Produkte. Es macht uns einzigartig und schafft Vertrauen bei Kunden und Partnern. Und es hat uns schon oft geholfen, die eine oder andere Hürde zu nehmen, sei es bei Zulassungen, Registrierungen oder Projektanträgen.

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