Die Europäische Union macht einen bedeutenden Schritt in Richtung digitaler Souveränität. Die EU-Mitgliedsstaaten verlangen nun offiziell, dass hochriskante KI-Systeme und strategische Daten ausschließlich auf Cloud-Plattformen gespeichert werden, die als resistent gegen externe Einflüsse zertifiziert sind. Eine zentrale Herausforderung bleibt jedoch bestehen: Es besteht noch immer kein Konsens über die genaue Definition einer „souveränen Cloud“.

Schutz der empfindlichsten Systeme Europas

Laut einem Ratsdokument vom 25. April wollen die EU-Regierungen, dass hochriskante KI, insbesondere solche, die Gesundheit, Sicherheit oder Grundrechte betreffen, ausschließlich auf EU-Cloud-Servern läuft. Ziel ist es, Manipulationen und Spionage von außerhalb Europas zu verhindern.

Grundsätzlich sollten diese wichtigen Apps mit EU-Genehmigung in Clouds laufen. Sie schaffen damit die Voraussetzungen für neue EU-Gesetze zu KI und Cloud-Sicherheit, die für 2026 geplant sind.

Frankreich verschiebt bereits 30 Millionen Gesundheitsdaten von Microsoft Azure in eine europäische Cloud, da man befürchtet, dass US-Gesetze amerikanischen Behörden Zugriff auf diese Daten gewähren könnten.

Mehr als nur Cybersicherheit

Für Europa reicht es nicht mehr, nur Cybersicherheit zu betreiben. Politische Widerstandsfähigkeit ist heute entscheidend, insbesondere bei den Diskussionen über Cloud-Sicherheitsregeln (EUCS). Es geht darum, europäische Daten vor externen Gesetzen zu schützen, beispielsweise vor US-amerikanischen, die es amerikanischen Behörden ermöglichen könnten, Daten abzugreifen, selbst wenn sie auf Servern in Europa liegen.

Auch wenn man sich nicht völlig darüber einig ist, was eine „souveräne Cloud“ ist, wird immer deutlicher, dass es dabei um mehr als nur Technologie geht – es geht darum, wer die Kontrolle hat und über rechtliche Freiheit verfügt.

Zudem befinden sich die meisten Cloud-Anwendungen in wenigen Großstädten wie Frankfurt, Amsterdam, Paris und Dublin, wodurch andere Teile Europas im Rückstand sind. Um dieses Problem zu lösen, könnten Steuererleichterungen und Fördermittel für Rechenzentren in weniger entwickelten Gebieten gewährt werden.

Das amerikanische Cloud-Oligopol

Im Wesentlichen dominieren derzeit US-amerikanische Technologiegiganten den Cloud-Markt. Der Anteil europäischer Unternehmen ist stark geschrumpft, während Amazon, Google und Microsoft über 70 % des EU-Marktes besitzen. Das französische Unternehmen OVHcloud und die deutschen Unternehmen SAP und Deutsche Telekom haben nur geringe Anteile. Die EU will ihre Abhängigkeit von diesen US-Unternehmen verringern, räumt aber ein, dass sie auch für den Aufbau von Infrastruktur in der EU eine wichtige Rolle spielen.

Grüne Cloud? Nicht so einfach

Hinzu kommt das Klimaproblem. EU-Berichte zeigen, dass ein durchschnittliches Rechenzentrum jährlich 26 Millionen Liter Wasser pro Megawatt verbraucht. Derzeit gibt es in der EU 1.240 Rechenzentren mit einer Gesamtleistung von 8,3 Gigawatt, und bis 2027 soll dieser Wert auf 13 GW steigen.

Dieser hohe Energie- und Wasserverbrauch steht im Widerspruch zu den Klimazielen der EU. Hinzu kommt, dass in der Kühlung PFAS-Chemikalien eingesetzt werden, was die Sache noch komplizierter macht.

Die EU will „supergrüne“ Rechenzentren, doch was das genau bedeutet, weiß noch niemand. Es gibt noch keine konkreten Nachhaltigkeitsstandards.

Bürokratie: Der versteckte Engpass

Der Bau von Rechenzentren in Europa dauert ewig – über 20 Monate für die Genehmigung und manchmal noch Jahre länger aufgrund von Lieferproblemen oder Chipprüfungen, insbesondere bei KI-Elementen.

Die EU versucht, Genehmigungsverfahren, insbesondere im Umweltbereich, zu beschleunigen, befürchtet jedoch, dass dies den Umweltzielen schaden könnte. Um Chaos zu vermeiden, müssen alle Regierungsvertreter an einem Strang ziehen.

Europa verfügt derzeit nicht über ein großes KI-Trainingszentrum, wie es die USA und China derzeit bauen. Einige große neue Projekte könnten das ändern, aber die EU braucht einen soliden Plan und schnellere Investitionen.

Warum ist das wichtig?

Digitale Souveränität ist nicht mehr nur ein politisches Schlagwort. Sie wird zu einer Voraussetzung für die Verteidigung der europäischen Werte – Privatsphäre, Freiheit und offener Wettbewerb.

Doch ohne eine klare und koordinierte EU-Strategie, die eine robuste Cloud-Zertifizierung, eine gerechte Verteilung der Infrastruktur, grüne Standards und schnellere Genehmigungsverfahren umfasst, besteht die Gefahr, dass die digitale Souveränität nur ein weiterer leerer Slogan bleibt.

Für junge Europäer ist dieser Moment entscheidend. Die digitalen Systeme, die wir heute entwickeln (oder nicht entwickeln), werden Ihren zukünftigen Zugang zu Wissen, Innovation und Rechten in einer zunehmend vernetzten – und umkämpften – Welt bestimmen.

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