Ein Fall, der fünf Jahre dauerte

Ende August 2025 ordnete die österreichische Datenschutzbehörde (DSB) YouTube an, Nutzern vollen Zugriff auf die von der Plattform verarbeiteten personenbezogenen Daten zu gewähren. Die Entscheidung erfolgte aufgrund einer Beschwerde der NGO Noyb aus dem Jahr 2019. Noyb wurde vom Datenschutzaktivisten Max Schrems gegründet und ist bekannt für strategische Klagen gegen Tech-Giganten im Zusammenhang mit der DSGVO . Die Beschwerde richtete sich gegen acht große Plattformen, darunter Netflix, Amazon, Apple Music und Spotify.

Der Kern des Problems? YouTubes mangelhafte Reaktion auf die in Artikel 15 der DSGVO klar definierten Auskunftsersuchen der Nutzer. Obwohl dieser Artikel den Nutzern das Recht auf eine Kopie all ihrer personenbezogenen Daten einräumt, stellte die österreichische Behörde fest, dass YouTube diesem Anspruch nicht gerecht wurde.

Noybs „bittersüßer Sieg“

Noyb bezeichnete das Urteil zwar als Erfolg, äußerte aber auch Frustration: Es habe fünf Jahre gedauert, bis es so weit gekommen sei. Diese Verzögerung, so argumentierten sie, mache die Rechte aus der DSGVO nahezu nutzlos. Anwalt Martin Baumann formulierte es so: „Wenn der Zugriff auf die eigenen Daten über fünf Jahre dauert, wird die Ausübung anderer Rechte praktisch unmöglich.“

Noyb warf Google, dem Mutterkonzern von YouTube, zudem vor, das Verfahren absichtlich zu verzögern, indem er darauf beharrte, dass der Fall in die Zuständigkeit der irischen Datenschutzkommission falle (da sich Googles Europazentrale in Dublin befindet). Diese Taktik spiegelt ein größeres Problem in der EU wider: Sind mehrere nationale Regulierungsbehörden involviert, verstricken sich Fälle oft in endlosen Streitigkeiten.

Keine Geldstrafe – aber warum?

Eine überraschende Wendung: Österreich verhängte keine Geldstrafe gegen YouTube. Das ist ungewöhnlich, da andere Unternehmen wegen ähnlicher Verstöße gegen die DSGVO mit Strafen in Millionenhöhe belegt wurden.

Kritiker argumentieren, dass das System ohne finanzielle Sanktionen seine „abschreckende Wirkung“ verliert. Wenn globale Konzerne wissen, dass sie Verfahren jahrelang verzögern und Geldstrafen vermeiden können, drohen die Rechte der Nutzer zu rein symbolischen Belangen zu verkommen.

Neue EU-Regeln: Echte Lösung oder nur ein Flickwerk?

Im Jahr 2025 einigten sich das Europäische Parlament und der Rat auf neue Regeln, die grenzüberschreitende DSGVO-Verfahren beschleunigen sollen. Ziel ist es, zu verhindern, dass Unternehmen Lücken in den nationalen Zuständigkeiten ausnutzen.

Doch Noyb ist nicht überzeugt. Die Gruppe argumentiert, die Reformen lösten nicht das eigentliche Problem: das Ungleichgewicht zwischen Bürgern und Tech-Giganten mit ihren riesigen Rechtsabteilungen. Solange die Durchsetzung nicht schneller und konsequenter erfolge, bestehe die Gefahr, dass das Recht auf Datenzugriff ein „formales Recht ohne wirkliche Bedeutung“ bleibe.

Datenzugang: ein Grundrecht oder eine Illusion?

Das österreichische Urteil wirft eine grundlegendere Frage auf: Ist das Recht auf Zugang zu den eigenen persönlichen Daten wirklich gewährleistet – oder nur eine Illusion?

Theoretisch ist dieses Recht zentral für die DSGVO. Es ermöglicht Ihnen nicht nur, die von Unternehmen über Sie gespeicherten Informationen einzusehen, sondern eröffnet Ihnen auch weitere Rechte, wie die Berichtigung, Löschung oder Einschränkung der Datennutzung. Ohne dieses Recht sind diese anderen Rechte bedeutungslos.

Doch wenn sich die Verfahren über Jahre hinziehen und die Regulierungsbehörden keine Geldstrafen verhängen, könnten sich die Bürger gegenüber Plattformen mit globaler Reichweite und unbegrenzten Ressourcen machtlos fühlen.

Warum ist das für Sie wichtig?

Der YouTube-Fall in Österreich ist kein Einzelfall – er ist Teil eines viel größeren Trends. Selbst die strengsten Gesetze, wie die DSGVO, schützen die Rechte der Bürger nicht, wenn die Durchsetzung schleppend und die Konsequenzen schwach sind.

Der Zugriff auf Ihre persönlichen Daten ist nicht nur eine juristische Floskel. Er ist das Fundament des digitalen Datenschutzes in Europa. Und wenn dieses Fundament bröckelt, schwindet auch das Vertrauen, das EU-Bürger – insbesondere junge Menschen, die mit dem Internet aufwachsen – in das System haben können, das sie eigentlich schützen soll.

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