Der Protest fand nur wenige Tage nach der Erschießung einer schwangeren Frau am helllichten Tag statt, die die Hand ihrer dreijährigen Tochter hielt. Der Täter war ihr Kindesmissbraucher – ein Täter, der sie trotz mehrfacher einstweiliger Verfügungen und Anzeigen bei der Polizei jahrelang sexuell, körperlich und psychisch misshandelt hatte.

Es handelte sich um den 25. Fall eines Femizids in Rumänien innerhalb von nur fünf Monaten.

Die IRES-Studie: Ein düsteres Bild der Realität

Gleichzeitig enthüllte eine im Februar 2025 veröffentlichte nationale Studie des rumänischen Instituts für Evaluation und Strategie (IRES) Daten, die nicht länger ignoriert werden können:

  • 31 % der rumänischen Frauen gaben an, Opfer verbaler oder körperlicher Gewalt durch ihre Partner geworden zu sein.
  • Über 10 % waren Opfer beider Arten von Missbrauch.
  • 19 % erlebten „nur“ verbale Gewalt.

Am stärksten betroffen sind Frauen über 65 Jahre mit niedrigem Bildungsniveau und bescheidenem Einkommen – also genau die sozialen Kategorien, die vom System konsequent vernachlässigt werden.

„Wir leben in einer Kultur, die Gewalt verzeiht, wenn das Opfer nicht den akzeptierten Normen entspricht. Wenn sie Roma ist, arm ist oder andere Formen der Verletzlichkeit erlebt hat, wird sie unsichtbar – und manchmal sogar beschuldigt“, erklärten Vertreter eines NGO-Konsortiums, das bei dem Protest anwesend war.

Männer und Gewalt: ein übersehenes, aber reales Problem

Die IRES-Studie untersuchte auch die Erfahrungen von Männern mit häuslicher Gewalt:

  • 18 % der Männer gaben an, von ihren Partnerinnen verbal missbraucht worden zu sein.
  • 2 % gaben zu, sowohl verbal als auch körperlich misshandelt worden zu sein.

Diese Zahlen zeigen, dass Frauen zwar überproportional betroffen sind, häusliche Gewalt jedoch ein komplexes Phänomen ist, das differenzierte und umfassende Reaktionen erfordert.

Soziologe: „Missbrauch ist zu einem Spektakel geworden“

Antonio Amuza, der Soziologe, der die IRES-Studie koordinierte, warnt davor, wie verbale Gewalt in der rumänischen Gesellschaft verharmlost wird. „Missbrauch wird oft als Scherz oder häuslicher Streit abgetan. Wir haben wenige, formelhafte Kampagnen, und soziale Medien und Fernsehen machen Gewalt oft zur Unterhaltung. Gleichzeitig sprechen Politiker von der Familie als ‚Eckpfeiler der Gesellschaft‘ und ignorieren, was hinter verschlossenen Türen passiert“, sagte Amuza in einem Interview mit G4Media.

Was muss getan werden? Bildung, Politik und politischer Wille

Die IRES-Studie hebt mehrere dringende Maßnahmen hervor:

  • Einführung von Gleichstellungsbildung in den Schulen.
  • Starten Sie konsequente und nachhaltige Kampagnen zur Sensibilisierung der Öffentlichkeit.
  • Bereitstellung konkreter Dienste für Opfer: Unterkünfte, psychologische Beratung, Rechtsschutz.
  • Institutionen zur Verantwortung ziehen , wenn sie Warnsignale ignorieren.

Der Protest vom Dienstag war nicht nur eine Form kollektiver Trauer – er war ein Ruf nach Veränderung. Eine Gesellschaft, die angesichts des Leids der Frauen zu lange geschwiegen hat, fordert nun Taten.

„Wenn der Staat Sie nicht schützt, wird die Straße zum moralischen Tribunal“, sagte ein Teilnehmer, der ein Foto der am Samstag getöteten Frau in der Hand hielt.

Die Botschaft des Protests war eindeutig: Rumänien kann sich Schweigen nicht länger leisten. Jeder Frauenmord ist ein Versagen des Staates, der Gemeinschaft und all derer, die weggeschaut haben. Die rumänische Gesellschaft muss es klar und deutlich sagen: Niemand ist besiegt. Niemand ist vergessen. Niemand ist weniger.

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