Die Geldstrafe in Höhe von 2,95 Milliarden Euro markiert einen wichtigen Meilenstein im Kampf der EU um offene und faire digitale Märkte.

Doch es geht hier nicht nur um ein einzelnes Unternehmen. Es geht darum, wer die Geld-, Daten- und Einflussflüsse im Online-Werbeökosystem, das nahezu jede von Ihnen besuchte Website antreibt, tatsächlich kontrolliert.

Wie Google den Adtech-Markt dominierte

Online-Werbung basiert auf einem komplexen Netzwerk von Systemen und Plattformen. Werbetreibende möchten Werbeflächen kaufen, Verlage möchten sie verkaufen, und dazwischen befinden sich Werbebörsen – virtuelle Marktplätze, auf denen Bildschirmplätze in Millisekunden versteigert werden.

Google kontrolliert nahezu jedes wichtige Glied in dieser Kette:

  • DoubleClick for Publishers (DFP) – der Adserver für Websites,

  • AdX – Googles Anzeigenbörse,

  • Google Ads und DV360 – Tools für Werbetreibende.

Laut der Europäischen Kommission verschaffte diese Struktur Google einen unfairen Vorteil. AdX hatte angeblich privilegierten Zugriff auf Daten konkurrierender Werbebörsen und konnte diese dadurch überbieten. Gleichzeitig lenkten Googles eigene Einkaufstools Werbetreibende zu AdX, wodurch konkurrierende Plattformen weniger attraktiv wurden.

Kurz gesagt, Google agierte gleichzeitig als Schiedsrichter, Spieler und Stadionbesitzer.

Die rechtliche Grundlage: Wenn Macht zum Problem wird

Der Fall stützt sich auf Artikel 102 des EU-Vertrags, der den Missbrauch einer marktbeherrschenden Stellung verbietet. Macht an sich ist nicht illegal – wohl aber deren Nutzung zum Ausschalten des Wettbewerbs.

Die Kommission stellte fest, dass Google seit mindestens 2014 das Wachstum von Wettbewerbern systematisch eingeschränkt und den Markt damit faktisch „abgeschottet“ hatte. Selbst innovative neue Plattformen konnten sich nicht durchsetzen.

Dies ist nicht Googles erste Auseinandersetzung mit den EU-Regulierungsbehörden. Das Unternehmen wurde bereits wegen Suchergebnissen, Android und Shopping-Diensten mit Milliardenstrafen belegt. Die jüngste Strafe erhöht den Druck – die eigentliche Wirkung könnte jedoch erst durch die nächsten Schritte erzielt werden: strukturelle Maßnahmen.

Das größere Problem: Interessenkonflikt

Die Kommission argumentiert, dass das Problem nicht nur im Verhalten von Google liegt, sondern im Geschäftsmodell selbst. Das Unternehmen ist auf allen Seiten der Werbetransaktion aktiv – für Werbetreibende, Verlage und die Werbebörse – und schafft so unvermeidbare Interessenkonflikte.

Die EU hat angedeutet, dass nur eine Aufspaltung von Teilen des Google-Werbegeschäfts das Problem wirklich lösen könnte. Google hat 60 Tage Zeit, Änderungen vorzuschlagen, doch EU-Beamte machten deutlich, dass sie mehr als nur kleinere Anpassungen erwarten.

Das wirft wichtige Fragen auf: Würde eine Aufteilung der Dienste den Wettbewerb tatsächlich fördern oder lediglich Chaos in einem System verursachen, das auf Skaleneffekten und Datenintegration basiert? Einige Experten warnen davor, dass eine Zersplitterung der Adtech-Branche die Effizienz beeinträchtigen und letztendlich die Kosten für Publisher und Werbetreibende erhöhen könnte.

Was geschieht jenseits Europas?

Dies ist kein Einzelfall. Jenseits des Atlantiks verfolgt das US-Justizministerium einen nahezu identischen Fall; die Anhörungen sollen voraussichtlich im September 2025 beginnen. Die Erkenntnisse der EU könnten die amerikanische Position stärken und die Regulierungsbehörden zu koordinierten globalen Maßnahmen bewegen.

Gleichzeitig baut Europa einen umfassenden Rahmen auf, um die Tech-Giganten einzudämmen – vom Digital Markets Act (DMA) bis hin zu zahlreichen Kartellurteilen gegen Google, Apple und Meta. Zusammengenommen senden diese Bemühungen eine klare Botschaft: Keine Plattform ist zu groß, um reguliert zu werden.

Was das für Werbetreibende und Verlage bedeutet

Sollte die EU Erfolg haben, könnten die größten Gewinner die Werbetreibenden und Medienunternehmen sein, die seit Langem auf Googles Tools angewiesen sind. Ein gerechterer Zugang zu Daten und Anzeigenauktionen könnte die Kosten senken und die Transparenz erhöhen.

Kleinere Akteure könnten jedoch Schwierigkeiten haben, sich an einen veränderten Markt anzupassen. Während große Medienkonzerne neue Chancen schnell nutzen können, benötigen kleinere Verlage möglicherweise Zeit und Ressourcen, um wettbewerbsfähig zu sein.

Und trotz der neuen Regeln könnten Googles schiere Größe und Markenmacht es dem Unternehmen ermöglichen, seinen Einfluss zu behalten – nur eben auf subtilere Weise.

Die nächste Welle: Klagen und Verantwortlichkeit

Die Geldstrafe ist möglicherweise nicht das Ende der Geschichte. Nach EU-Wettbewerbsrecht können Unternehmen, die durch Googles Praktiken geschädigt wurden, nun vor nationalen Gerichten Schadensersatz einklagen.

Verlage oder Werbetreibende, die behaupten, überhöhte Gebühren gezahlt oder den Zugang zu fairem Wettbewerb verloren zu haben, könnten Schadensersatz fordern – potenziell in Milliardenhöhe. Frühere Fälle zeigen, dass zivilrechtliche Klagen sogar noch kostspieliger sein können als die ursprüngliche Geldstrafe.

Das große Ganze: Wer sollte den digitalen Markt kontrollieren?

Die Vizepräsidentin der Europäischen Kommission, Teresa Ribera, brachte es auf den Punkt: Der digitale Markt sollte den Menschen dienen – nicht nur den Plattformen – und muss auf Vertrauen aufgebaut sein.

Bei diesem Urteil geht es nicht nur um Wettbewerb, sondern auch darum, zu definieren, welche Art von digitaler Welt Europa will. Soll der Markt auf die Selbstregulierung der Unternehmen setzen oder sollten öffentliche Institutionen eingreifen, um für faire Bedingungen zu sorgen?

Befürworter der Geldstrafe argumentieren, dass globale Technologiekonzerne ohne staatliche Eingriffe das Internet ungehindert beherrschen würden. Kritiker warnen jedoch, dass eine Überregulierung Innovationen ersticken und Europas Wettbewerbsfähigkeit gegenüber den USA und China schwächen könnte.

Ein Wendepunkt für das digitale Europa

Der Fall Google könnte wegweisend für die Zukunft der Online-Werbung – und der digitalen Märkte im Allgemeinen – sein. In einer Welt, in der Daten die neue Währung sind, setzt die EU darauf, dass Transparenz und Fairness die Schlüssel zu langfristiger Innovation sind.

Ob diese Vision Erfolg hat oder nach hinten losgeht, wird nicht nur die Zukunft von Google prägen, sondern die gesamte Online-Wirtschaft, in der junge Europäer aufwachsen.

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