Eine globale Krise auf zwei Beinen (oder zwei Rädern)

Gehen und Radfahren bilden das Rückgrat nachhaltiger Städte. Dennoch werden sie weltweit immer noch stiefmütterlich behandelt. Laut der Weltgesundheitsorganisation (WHO) sterben jährlich fast 1,2 Millionen Menschen auf den Straßen – und jeder Vierte davon ist Fußgänger oder Radfahrer. Erschreckenderweise verfügen nur 0,2 % der Straßen weltweit über richtige Radwege. Grundlegende Infrastruktur wie Gehwege oder Fußgängerüberwege sind in vielen Städten nach wie vor rar.

Dabei geht es nicht nur um Zahlen. Es geht um echte Menschen – viele von ihnen jung –, die ihre Heimat verlassen haben und nie zurückgekehrt sind.

Das Problem ist global, sieht aber nicht überall gleich aus. Daten aus den Jahren 2011 bis 2021 zeigen einen starken Anstieg der Fußgängertoten in Südostasien – um 42 Prozent.

In Europa hat sich die Zahl der Todesfälle unter Radfahrern um die Hälfte erhöht, im Westpazifik verdoppelte sie sich sogar um bis zu 88 Prozent. Das sind nicht nur Zahlen – es sind Geschichten von Menschen, die einfach mal wieder aus dem Haus kamen.

Für viele ist Gehen oder Radfahren keine Lebensstilentscheidung, sondern die einzige Option – oft in Städten, in denen Autos Vorrang haben und nicht Menschen.

Das neue Toolkit der WHO: Ein Wendepunkt?

Gehen und Radfahren sind gut für die Gesundheit, den Geldbeutel und den Planeten. Sie reduzieren die Luftverschmutzung, senken den CO2-Ausstoß und fördern das geistige und körperliche Wohlbefinden. Doch laut WHO-Generaldirektor Dr. Tedros Adhanom Ghebreyesus müssen sie zunächst sicher werden.

Die Herausforderung? Zu wenige Länder tun genug. Weniger als ein Drittel der Regierungen fördert aktiv das Gehen oder Radfahren. Was fehlt, ist ein klarer, integrierter Ansatz – einer, der öffentliche Gesundheit, Stadtplanung, Verkehr und Klimaziele miteinander verbindet.

Um Städte und Regierungen bei der Lösung dieser Probleme zu unterstützen, hat die WHO kürzlich ein umfassendes Toolkit zur Förderung sicherer und inklusiver aktiver Mobilität veröffentlicht. Der Leitfaden konzentriert sich auf fünf zentrale Säulen:

  1. Sektorübergreifende Zusammenarbeit : Gehen und Radfahren müssen in Verkehrs-, Gesundheits-, Umwelt- und Bildungsstrategien integriert werden. Um wirklich etwas zu bewirken, ist vernetztes Denken erforderlich.
  2. Infrastruktur, die Leben rettet : Bürgersteige, geschützte Radwege und sichere Übergänge sind kein Luxus – sie sind lebensrettende Notwendigkeiten.
  3. Gesetze zum Schutz der Menschen : Städte sollten Geschwindigkeitsbegrenzungen und Stadtplanungsregeln einführen und durchsetzen, die Menschen gegenüber Autos Vorrang geben.
  4. Intelligente öffentliche Kampagnen : Bewusstsein ist wichtig. Die WHO fördert Kampagnen, die zeigen, wie Gehen und Radfahren sowohl die persönliche Gesundheit als auch den Planeten verbessern können.
  5. Finanzielle Anreize : Regierungen sollten einkommensschwache und ländliche Gemeinden unterstützen, indem sie den Zugang zu Fahrrädern finanzieren oder die Gehbedingungen in unterversorgten Gebieten verbessern.

Eine globale Bewegung für sicherere Straßen

Während der 8. UN-Woche für Verkehrssicherheit schloss sich die WHO im Rahmen der Globalen Allianz der NGOs für Verkehrssicherheit mit über 400 Organisationen aus 100 Ländern zusammen. Das Ziel: die urbane Mobilität dringend neu zu denken.

Etienne Krug, WHO-Direktor für soziale Determinanten der Gesundheit, drückte es so aus :

„Es ist an der Zeit, die natürlichste Form der Fortbewegung – das Gehen – für alle sicherer zu machen.“

Das bedeutet, dass mehrere Sektoren – vom Verkehr bis zum Bildungswesen – einbezogen werden müssen, um aktives Reisen zu einer realistischen und sicheren Wahl für alle zu machen.

Städte, die für Menschen gebaut sind, nicht nur für Autos

Investitionen in Fußgänger- und Radverkehr bedeuten sauberere Luft, weniger Emissionen und eine bessere öffentliche Gesundheit. Doch das geht noch weiter. Autofreie Zonen und sicherere Radwege können öffentliche Räume beleben, das Gemeinschaftsleben ankurbeln und das städtische Wohlbefinden insgesamt verbessern.

Bei diesen Veränderungen geht es nicht nur darum, sich anders zu bewegen – es geht darum, besser zu leben.

Von Worten zu Taten

Das WHO-Toolkit ist nicht nur ein Dokument. Es ist ein Weckruf. Wenn Gehen und Radfahren weiterhin gefährlich bleiben, bleiben sie ein Privileg der Mutigen – oder der Verzweifelten. Dabei sollten sie die einfachste und sicherste Art der Fortbewegung sein.

Regierungen verfügen nun über die nötigen Instrumente. Die entscheidende Frage ist: Werden sie diese auch nutzen, bevor noch mehr Menschenleben verloren gehen?

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