Berlin wehrt sich – Google sagt „Nein“

Im Juni forderte die Berliner Datenschutzbehörde Google und Apple auf, DeepSeek aus ihren App-Stores zu entfernen. Die Behörde argumentierte, die von einem chinesischen Unternehmen entwickelte App entspreche nicht den EU-Datenschutzanforderungen.

Doch im August war die App noch verfügbar. Google erklärte unmissverständlich: „Wir beabsichtigen nicht, die App zu entfernen.“ Apple hingegen schweigt laut der Berliner Aufsichtsbehörde. Diese fehlende Reaktion nährt Zweifel daran, wie effektiv europäische Regeln tatsächlich gegen globale Akteure durchgesetzt werden können.

Der Rechtsrahmen – und seine Schwachstellen

Die Regulierungsbehörde stützte ihre Maßnahmen auf den Digital Services Act (DSA), der es Einzelpersonen und Organisationen erlaubt, illegale Inhalte oder Apps zu melden. Der Haken dabei: Die Plattformen entscheiden selbst, ob sie auf diese Beschwerden reagieren. Die Regulierungsbehörden können lediglich die Entfernung empfehlen – zumindest bis ein formelles Verfahren mit Sanktionen eingeleitet wird.

Ein weiteres Problem sind die europäischen DSGVO-Regeln. Die EU erkennt die chinesischen Datenschutzbestimmungen nicht als gleichwertig mit ihren eigenen an. Das bedeutet, dass die Daten von DeepSeek-Nutzern aus der EU theoretisch von den Behörden in Peking abgerufen werden könnten – ohne den Schutz, den EU-Bürger erwarten. Verstößt die Beibehaltung der App in europäischen Stores also nicht nur gegen den Wortlaut, sondern auch gegen den Geist des EU-Rechts?

DeepSeek – eine disruptive Technologie mit Warnsignalen

Als DeepSeek Anfang des Jahres auf den Markt kam, sorgte es in der KI-Welt für Aufsehen. Dem Unternehmen gelang es, mit relativ geringen Ressourcen ein leistungsstarkes KI-Modell zu entwickeln – und stellte damit die Annahmen über die Kosten für das Training groß angelegter KI in Frage.

Doch die Begeisterung wich schnell der Skepsis. Woher stammten die Trainingsdaten? Waren die Methoden ethisch vertretbar? Und was noch wichtiger ist: DeepSeek hat seinen Sitz in China, wo Technologieunternehmen eng mit dem Staat verbunden sind. Kann das Versprechen des „Datenschutzes“ wirklich eingehalten werden, wenn Regierungsbehörden Zugriff auf Nutzerdaten verlangen?

Eine Frage der digitalen Souveränität

Bereits im Mai versuchte die Berliner Datenschutzbehörde, DeepSeek selbst zum Rückzug vom deutschen Markt zu bewegen. Das Unternehmen lehnte jedoch ab. Den Regulierungsbehörden blieb nur eine Möglichkeit: Druck auf Google und Apple auszuüben, damit diese als Gatekeeper agieren.

Dies wirft ein Schlaglicht auf ein größeres Problem: die digitale Souveränität. Wenn globale Plattformen die EU-Regulierungsbehörden einfach ignorieren können, wie effektiv sind dann DSA und DSGVO in der Praxis? Und wenn Apps wie DeepSeek trotz offizieller Beschwerden weiterhin verfügbar sind, können die Bürger dann wirklich darauf vertrauen, dass ihre Privatsphäre über den Papierkram hinaus geschützt wird?

Die geopolitische Dimension

Dabei handelt es sich nicht nur um einen juristischen oder technischen Streit, sondern auch um einen geopolitischen. Angesichts der zunehmenden Spannungen zwischen der EU und China im Technologiesektor wird jede chinesische KI-App genau unter die Lupe genommen.

Chinesische Gesetze verpflichten Technologieunternehmen zur Zusammenarbeit mit staatlichen Sicherheitsbehörden. Dies steht im direkten Widerspruch zu den EU-Vorstellungen von Privatsphäre und Datenschutz. Für viele erscheint die Zulassung von Apps wie DeepSeek in europäischen App-Stores weniger als harmlose Konkurrenz, sondern eher als potenzielles nationales Sicherheitsrisiko.

Plattformen als wahre Entscheider?

Die DeepSeek-Saga zeigt, dass in der Praxis die Plattformen – und nicht die Regulierungsbehörden – das letzte Wort darüber haben, welche Apps zugänglich bleiben. Der DSA beschreibt zwar Melde- und Überprüfungsverfahren, doch letztendlich entscheiden Google und Apple, ob eine App zumindest in der Anfangsphase verfügbar bleibt oder nicht.

Dies wirft eine tiefere Frage auf: Sollten private Unternehmen wirklich darüber entscheiden, was legal ist? Wenn sie regulatorische Empfehlungen ignorieren, schwächt das nicht nur die Durchsetzung der Vorschriften, sondern untergräbt auch das Vertrauen der Bürger in die europäische digitale Aufsicht.

Was dies für die KI-Regulierung in Europa bedeutet

DeepSeek ist mehr als eine umstrittene App – es ist ein Testfall für die zukünftige KI-Regulierung. Da KI-Modelle immer leistungsfähiger werden und sensible Daten verarbeiten können, werden grenzüberschreitende Datenschutzstandards vor größere Herausforderungen gestellt.

Und der Fall macht eines deutlich: Selbst die EU, deren Datenschutzbestimmungen zu den strengsten der Welt zählen, hat Schwierigkeiten, sie durchzusetzen, wenn globale Technologiegiganten und ausländische Regierungen involviert sind.

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