Der letzte Strohhalm
„Ich habe die endgültige Entscheidung getroffen, Serbien zu verlassen, als ich mit eigenen Augen sah, dass eine Parteimitgliedskarte wichtiger war als mein Universitätsdiplom.“
So beginnt die Geschichte von Tanja Milic, einer 25-jährigen Grafikdesignerin aus Kragujevac, Serbien. Seit zwei Jahren lebt Tanja mit ihrem Partner in Schweden, nachdem sie kurz nach ihrem Abschluss an der Fakultät für Philologie und Kunst der Universität Kragujevac dorthin gezogen war. Heute arbeitet sie als Art Director in einer schwedischen Grafikdesign-Agentur.
„Ich bin nicht aus wirtschaftlichen Gründen gegangen, denn auch in Serbien lebte ich gut. Doch als mir klar wurde, dass man sich nicht über die Arbeitsvermittlung, sondern bei politischen Parteien nach einem Job umsehen sollte, stand meine Entscheidung, Serbien zu verlassen, fest. Ich wollte einfach nicht Parteiplakate aufhängen, um im Gegenzug einen Job in meinem Bereich zu bekommen“, erinnert sich Tanja.
„Ich sprach Englisch und lernte in jenem Sommer Schwedisch. Mit etwas Erspartem und einem Laptop kam ich nach Schweden, wo ich nach ein paar Monaten eine Stelle in der Firma bekam, in der ich noch immer arbeite. Inzwischen ist mein Verlobter, ein studierter Wirtschaftswissenschaftler, nachgekommen. Wir haben geheiratet und leben jetzt wie jedes andere Paar“, erzählt Tanja.
Tanjas Kommilitonin Ilda Mesic aus dem benachbarten Bosnien und Herzegowina verließ während ihres Studiums ihre Heimatstadt Sarajevo. Sie lebt in Berlin, wo sie ihr Architekturstudium abschloss und nun als Dozentin an einer Universität arbeitet.
„Junge Menschen verlassen Bosnien und Herzegowina, weil sie die Hoffnung verlieren, weil sie nicht mehr daran glauben, dass sich die Dinge bessern werden. Sie gehen enttäuscht von Korruption, Kriminalität, Spaltung und Politikern, die sie spalten und in nationale und religiöse Lager einsperren, während sie sich selbst bereichern. Sie gehen, weil sie keine Alternative für einen positiven Wandel sehen. Deutschland ist nicht perfekt, ganz im Gegenteil, aber hier habe ich ein besonderes Gefühl der Sicherheit. Die Grundlage dieses Gefühls ist die Stabilität des Systems hier, die mir die Zuversicht gibt, dass nicht alles über Nacht zusammenbrechen kann. Genau das fehlt Bosnien und Herzegowina leider“, erzählt Ilda.
