Jahrzehntelang wurde jungen Menschen vermittelt, ein Hochschulabschluss sei der ultimative Schlüssel zum Erfolg – ein Garant für die Erreichung ihrer Karriereziele. Doch angesichts der kostenlosen oder günstigen Studiengebühren in vielen europäischen Ländern und eines Arbeitsmarktes, der zunehmend Kompetenzen über Qualifikationen stellt, stellt sich die Frage: Ist ein Hochschulabschluss immer noch der beste Weg nach vorn?
Europäische Universitäten bieten zwar erschwingliche Studiengebühren, aber selbst eine „kostenlose“ Ausbildung ist mit Kosten verbunden. Lebenshaltungskosten, Zeit außerhalb des Berufslebens und der Druck, konventionellen Wegen zu folgen, summieren sich. Während Absolventen oft höhere Beschäftigungsquoten erzielen, zeichnen aktuelle Daten von Eurostat ein differenziertes Bild. Bis 2023 stieg die Beschäftigungsquote für Hochschulabsolventen in der EU auf 83,5 %. Für Personen mit tertiärem Bildungsabschluss stieg sie auf 87,7 %, verglichen mit 78,1 % für Personen mit mittlerem Bildungsabschluss. Allerdings folgen nicht alle Länder diesem Trend. Länder wie Malta, die Niederlande und Deutschland wiesen Beschäftigungsquoten von Absolventen von bis zu 95,8 % auf, während Italien und Griechenland mit 67,5 % bzw. 72,3 % zurücklagen.
Die Unterschiede in den Ergebnissen variieren nicht nur je nach Region, sondern hängen auch vom Preis-Leistungs-Verhältnis ab. Selbst in Ländern mit kostengünstiger Ausbildung hinterfragen viele junge Menschen den Wert eines jahrelangen Studiums, wenn es keine Garantie für einen relevanten Arbeitsplatz bietet. So arbeiten beispielsweise 22 % der jungen Europäer in Bereichen, die nichts mit ihrem Abschluss zu tun haben – eine Statistik, die Zweifel daran weckt, dass ein Hochschulabschluss ein zuverlässiger Weg zum Traumberuf ist. Immer mehr Arbeitgeber erkennen diese Diskrepanz und setzen verstärkt auf kompetenzbasierte Einstellungsverfahren.
Sind mehr Fähigkeiten nötig als ein Abschluss?
Erkenntnisse aus der „2024 Work Reimagined Survey“ von Ernst & Young (EY) zeigen einen deutlichen Wandel in der Personalbeschaffung. Anstatt sich auf Abschlüsse als einheitlichen Filter zu verlassen, konzentrieren sich viele Unternehmen auf praktische Fähigkeiten und Anpassungsfähigkeit. Laut den Ergebnissen betrachten sich weltweit 32 % der Unternehmen als „talentbegünstigt“, d. h. sie sind hervorragend darin, ihre Belegschaft auf Produktivitätsergebnisse und Geschäftsanforderungen auszurichten. Diese Ausrichtung wird häufig durch einen gezielten Fokus auf die Umschulung und Weiterbildung von Mitarbeitern erreicht.
Der Fokus von EY auf kontinuierliches Lernen unterstützt diesen Wandel. Zu den Strategien gehören innovative Programme wie der vollständig akkreditierte EY Tech MBA, der allen Mitarbeitern unabhängig von ihrer Position offen steht. Dies verdeutlicht, dass es für die Wettbewerbsfähigkeit nicht mehr auf traditionelle Qualifikationen ankommt, sondern auf den Aufbau von Fähigkeiten, die den sich schnell entwickelnden Branchenanforderungen entsprechen.
Dieser Trend spiegelt sich auf dem gesamten europäischen Arbeitsmarkt wider. Ein Hays 2024-Bericht ergab, dass 80 % der Arbeitgeber Kompetenzen gegenüber formalen Qualifikationen priorisieren. In Branchen wie Technologie und grüne Energie sind Hochschulabsolventen oft nicht auf die rasanten Veränderungen vorbereitet, die sie erwarten. Zertifizierungen, Bootcamps und berufliche Weiterbildung haben sich als flexiblere Wege erwiesen, Kandidaten effektiver vorzubereiten.
Deutschland und die Niederlande setzen sich seit langem für die Berufsausbildung ein und bereiten Schüler durch Ausbildungen und Praktika direkt auf den Arbeitsmarkt vor. Dieses pragmatische Modell zeigt Erfolge. Malta berichtete, dass 95,8 % der Absolventen der Berufsausbildung kurz nach Abschluss der Ausbildung eine Beschäftigung fanden.
Zweck vor Prestige
Junge Europäer – insbesondere die Generation Z – stehen traditionellen Karriereplänen zunehmend skeptisch gegenüber. Umfragen zeigen, dass ihre Prioritäten sich in Richtung Flexibilität, sinnvolle Arbeit und Unabhängigkeit verschieben und nicht mehr auf akademische Auszeichnungen setzen. Bietet ein Programmier-Bootcamp oder eine Ausbildung einen schnelleren und günstigeren Weg zu einer erfüllenden Tätigkeit, verzichten viele lieber ganz auf ein Studium.
Die Ergebnisse von EY unterstreichen diesen kulturellen Wandel: Immer mehr Unternehmen überdenken starre akademische Anforderungen, nicht nur um Fachkräftemangel zu beheben, sondern auch um den Bewerberpool zu erweitern. Dieser Ansatz schafft Chancen für vielfältige Talente, unabhängig von formalen Qualifikationen, und ermöglicht es den Mitarbeitern, sich auf Kreativität, Problemlösung und Anpassungsfähigkeit zu konzentrieren.
Dennoch ist es wichtig anzuerkennen, dass Abschlüsse in bestimmten Bereichen weiterhin relevant sind. Berufe wie Medizin, Ingenieurwesen und Recht haben strenge Zulassungsvoraussetzungen und sind stark von einer traditionellen Universitätsausbildung abhängig. Für diejenigen mit klaren Karriereambitionen in diesen Bereichen bleibt eine Hochschulbildung eine lohnende Investition.
Das Fazit
Die Frage, ob ein Abschluss notwendig ist, lässt sich nicht einfach beantworten. Für manche ist er ein wertvolles Instrument für den Einstieg in regulierte Berufe; für andere mag er sich wie eine überholte Tradition anfühlen. Entscheidend ist, dass Sie Ihren Ansatz an Ihren Zielen ausrichten – sei es ein Universitätsstudium oder die Suche nach schnelleren, günstigeren Alternativen wie Ausbildungen oder Zertifizierungsprogrammen.
Der zunehmende Fokus auf kompetenzorientierte Einstellungsverfahren hat jungen Arbeitnehmern neue Möglichkeiten eröffnet. Wenn Sie Ihre Ziele kennen und Ihren Lernweg darauf abstimmen, werden Sie sich von der Masse abheben – egal, welchen Weg Sie wählen.
Verweise
Eurostat. (21. August 2024). Beschäftigungsquoten von Hochschulabsolventen in der EU . Abgerufen von: https://ec.europa.eu/eurostat/web/products-eurostat-news/w/ddn-20240821-1
Ernst & Young. (2024). Umfrage zur Neugestaltung der Arbeit 2024. Abgerufen von https://www.ey.com/en_us/insights/workforce/work-reimagined-survey
Deloitte. (2023). Gen Z und Millennial-Umfrage . Abgerufen von https://www2.deloitte.com
Hays. (2024). Bericht „Kompetenzen über Qualifikationen“ . Abgerufen von https://www.hays.co.uk
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