Galileo: Europas eigenes Satellitensystem

Seit 2016 entwickelt die Europäische Union ihr eigenes globales Satellitennavigationssystem Galileo . Es liefert präzise Standort- und Zeitdaten, auf die sich Milliarden von Nutzern weltweit verlassen. Seine Signale versorgen nicht nur Smartphones, sondern auch wichtige Sektoren wie Verkehr, Energie, Landwirtschaft und Finanzen. Schätzungen zufolge sind etwa 10 % der EU-Wirtschaft von solchen Diensten abhängig.

Das System umfasst 24 Satelliten in einer Erdumlaufbahn in 23.000 km Höhe sowie eine hochentwickelte Bodeninfrastruktur. Da es sich vollständig im Besitz der EU befindet und von zivilen Akteuren kontrolliert wird, unterscheidet es sich von anderen globalen Systemen wie dem US-amerikanischen GPS . Die meisten Galileo-Dienste sind kostenlos und für jedermann zugänglich.

Galileo bietet Dienste wie ein offenes Signal für Mobilgeräte, ein Notfallreaktionssystem, das die Ortung von Personen in Gefahr beschleunigt, hochpräzise Ortung (bis zu 20 cm) für Drohnen und autonome Fahrzeuge sowie sichere Signale für Behörden. Dies unterstützt den Alltag in Branchen wie intelligenten Energienetzen und dem Bankwesen, in denen eine genaue Zeitsynchronisierung entscheidend ist.

Die zweite Galileo-Generation wird mit zwölf neuen Satelliten eingeführt, die mit verbesserten Atomuhren, Antennen und Software-Updates für den Orbit ausgestattet sind. Geplant ist außerdem ein Satelliten-Notfallwarndienst, der ab 2025 Warnungen vor Naturkatastrophen und Ausfällen direkt auf Mobilgeräte senden soll. Diese Innovationen sollen Galileo zu einer tragenden Säule der technologischen Unabhängigkeit und Sicherheit Europas machen.

Ein neues Kapitel: OSNMA

OSNMA befasst sich mit einem seit langem bestehenden Problem von GNSS-Systemen – der fehlenden Überprüfung der Authentizität von Navigationsdaten. Bisher konnte jedes Signal, selbst ein gefälschtes, als echt akzeptiert werden. Spoofing-Angriffe, bei denen falsche Signale echte Satelliten imitieren, haben zu Zwischenfällen im See- und Flugverkehr geführt.

Mit OSNMA können Nutzer nun überprüfen, ob eine Navigationsnachricht tatsächlich von Galileo-Satelliten stammt und während der Übertragung nicht verändert wurde. Dieser technisch einfache Schritt ist bahnbrechend: Sichere Positionsbestimmung wird ohne teure externe Kryptografielösungen möglich.

Die Veröffentlichung des Service Definition Document (SDD) am 24. Juli 2025 bestätigte die Betriebsbereitschaft von OSNMA. Über die technologische Bereitschaft hinaus sendet es ein klares politisches Signal: Europa will nicht nur GNSS-Signale bereitstellen, sondern auch bei deren Sicherheit eine führende Rolle übernehmen.

Webinar-Showcase: Technik oder Marketing?

Am 1. September 2025 veranstalten die Europäische Kommission und die Agentur der Europäischen Union für das Weltraumprogramm (EUSPA) eine Online-Veranstaltung mit dem Titel „Einführung des neuen Galileo-Authentifizierungsdienstes OSNMA“. Zu den Präsentationen zählen wichtige Beamte und Experten, SDD-Übersichten, Leitfäden zur Empfängerimplementierung und Einblicke von GNSS-Geräteherstellern.

Das Webinar dient auch einem Werbezweck: Es soll die Industrie davon überzeugen, dass OSNMA die Zukunft ist, in die es sich zu investieren lohnt. Doch ist die Technologie bereit für einen breiten Einsatz? Empfänger müssen aktualisiert, Software angepasst und das gesamte GNSS-Ökosystem auf den neuen Standard umgestellt werden. Ob dieser Prozess reibungslos verläuft, ist ungewiss.

GNSS-Resilienz: Theorie vs. Praxis

OSNMA soll Navigationssysteme vor Manipulationen und Störungen schützen. Es verwendet digital signierte Navigationsnachrichten, die ohne kryptografische Schlüssel nicht gefälscht werden können – theoretisch eine starke Barriere.

Aber löst OSNMA alle Probleme? Jamming, das gezielte Blockieren von Signalen, bleibt eine Bedrohung. Die Authentifizierung funktioniert nur innerhalb des offenen Dienstes von Galileo. Was ist mit Geräten, die andere GNSS-Systeme wie das US-GPS oder Chinas BeiDou nutzen? Ohne weltweite Einführung ähnlicher Maßnahmen wird der Schutz vor Spoofing lückenhaft bleiben.

Zusätzliche kryptografische Ebenen könnten auch neue Herausforderungen mit sich bringen – Verzögerungen, höherer Energiebedarf und Kosten für Infrastrukturaktualisierungen. Während sie für gelegentliche Benutzer wie Fahrer oder Drohnenbetreiber unsichtbar sind, sind Reaktionsgeschwindigkeit und Zuverlässigkeit in kritischen Branchen von entscheidender Bedeutung.

Privatsektor an vorderster Front

Die Implementierung von OSNMA betrifft nicht nur europäische Institutionen. Auch Hersteller von Receivern und App-Entwickler müssen den neuen Standard übernehmen. Die EUSPA unterstützt sie dabei mit ihrem Programm „Fundamental Elements“ und fördert die Entwicklung Galileo-kompatibler Geräte.

Doch die Frage bleibt: Ist der Markt bereit? Unternehmen zögern möglicherweise, in eine Funktion zu investieren, die gesetzlich noch nicht vorgeschrieben ist. Ohne regulatorische Vorgaben läuft OSNMA Gefahr, ein Nischentool zu bleiben, das nur von Branchen genutzt wird, die sich seiner Sicherheitsvorteile bewusst sind.

Zwischen Durchbruch und halben Sachen

OSNMA ist ein wichtiger Schritt in Richtung sicherer Satellitennavigation, zeigt aber auch die Grenzen eines technologieorientierten Ansatzes auf. Europa verfügt über ein Instrument, um Spoofing deutlich einzudämmen. Doch kann es die rechtlichen und marktwirtschaftlichen Rahmenbedingungen für eine breite Akzeptanz schaffen?

Das Webinar am 1. September demonstriert OSNMA als potenziellen globalen Standard. Die entscheidende Frage bleibt jedoch: Ist OSNMA eine Grundlage für zukünftige Sicherheit oder nur ein technisches Gadget, dessen Potenzial ohne entsprechende Unterstützung weitgehend ungenutzt bleibt?

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