Das Europäische Netzwerk der öffentlichen Arbeitsverwaltungen (PES) hat ein neues Toolkit vorgestellt, das nationalen Arbeitsvermittlungsstellen dabei helfen soll, auf die veränderten Anforderungen der grünen Transformation zu reagieren. Das Dokument mit dem Titel „PES Toolkit on Green Skills and Jobs: From Engagement to Action and Strategy bietet praktische Anleitungen, strategische Vorschläge und Fallstudien aus der gesamten EU. Obwohl die Ambitionen des Tools mit den umfassenderen Klima- und Sozialzielen der EU übereinstimmen, bleibt eine Frage offen: Sind die nationalen Arbeitsvermittlungsstellen wirklich darauf vorbereitet, diese Chance optimal zu nutzen?

Grüne Wirtschaft: Chance oder Muss?

Europas neue Wirtschaftspolitik, die auf niedrigen Emissionen, Energieeffizienz und nachhaltiger Entwicklung basiert, ist nicht länger nur eine Vision – sie ist politische und wirtschaftliche Realität. Doch mit jeder Transformation geht auch der Bedarf an neuen Kompetenzen einher, und das bedeutet auch eine Umgestaltung des Arbeitsmarktes.

Das PES-Toolkit positioniert die öffentlichen Arbeitsverwaltungen als Schlüsselakteure dieses Wandels. Zu ihren Aufgaben gehören die Prognose des Bedarfs an zukünftigen Kompetenzen, die Unterstützung von Umschulungs- und Weiterbildungsmaßnahmen sowie die Förderung der Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern, Arbeitnehmern und Bildungsanbietern.

Das Dokument macht deutlich: Der grüne Wandel wird ohne die aktive Beteiligung der Arbeitsvermittlungen nicht gelingen. Doch können diese Institutionen wirklich an der Schnittstelle von Klima-, Wirtschafts- und Bildungspolitik agieren – die allesamt neue Denk- und Arbeitsweisen erfordern?

Grüne Kompetenzen erkennen: Wer ist verantwortlich und wie?

Ein Kernbereich des Toolkits konzentriert sich auf die Identifizierung grüner Kompetenzen – also der Fähigkeiten, die in Sektoren wie erneuerbaren Energien, Kreislaufwirtschaft, nachhaltigem Verkehr oder energieeffizientem Bauen benötigt werden. Von den öffentlichen Arbeitsverwaltungen wird erwartet, dass sie nicht nur Daten analysieren, sondern auch Qualifikationslücken vorhersehen und mit lokalen Partnern zusammenarbeiten, um diese zu schließen.

Die Herausforderung? Viele Arbeitsagenturen verlassen sich noch immer auf veraltete Datenbanken, und Prognosen werden in einer Zeit des rasanten technologischen und rechtlichen Wandels immer komplexer. Wie lässt sich die Zukunft grüner Arbeitsplätze vorhersagen, wenn ihre Ausgestaltung von sich verändernden nationalen Politiken, EU-Förderstrategien und der Volatilität der globalen Rohstoffmärkte abhängt?

Arbeitsvermittlung in der Praxis: Versprechen vs. Praxis

Ein weiterer Abschnitt des Toolkits befasst sich mit der Entwicklung von Dienstleistungen, die Arbeitssuchenden bei der Umschulung, dem Zugang zu Weiterbildungsmaßnahmen und der Berufsberatung helfen. Den Empfehlungen zufolge sollten die öffentlichen Arbeitsverwaltungen aktive Arbeitsmarktpolitiken (ALMPs) umsetzen , die auf ökologische Prioritäten zugeschnitten und an spezifische Zielgruppen angepasst sind.

Theoretisch ist dies ein vielversprechender Ansatz – insbesondere für junge Menschen, die in den Arbeitsmarkt eintreten, Langzeitarbeitslose oder Arbeitnehmer in schrumpfenden Branchen wie dem Kohlebergbau oder der traditionellen Energiewirtschaft. In der Praxis stehen viele PES-Systeme jedoch vor erheblichen Hindernissen: unterqualifizierte Berater, begrenzte Budgets und eine schwache Anbindung an das lokale Bildungssystem.

Das Toolkit fördert zudem die Zusammenarbeit zwischen den öffentlichen Arbeitsverwaltungen und dem breiteren Ausbildungsumfeld. Ohne klare Mechanismen zur Qualitätskontrolle und Rechenschaftspflicht besteht jedoch die Gefahr, Fehler der Vergangenheit zu wiederholen – nämlich Kurse mit geringer Wirkung anzubieten, die nicht zu echten Arbeitsplätzen führen.

Partnerschaft mit Arbeitgebern: Kann das eine Einbahnstraße sein?

Eine der größten Stärken des Toolkits ist die Betonung der Zusammenarbeit mit Arbeitgebern. Die öffentlichen Arbeitsverwaltungen werden ermutigt, mit Unternehmen zusammenzuarbeiten, um nicht nur deren Bedürfnisse zu verstehen, sondern auch gemeinsam Schulungsprogramme zu entwickeln, Branchenpartnerschaften zu bilden und die Möglichkeiten für betriebliches Lernen zu erweitern.

Das ist sinnvoll, denn die Überbrückung der Kluft zwischen Theorie und Praxis ist für einen funktionierenden Arbeitsmarkt unerlässlich. Dieser Ansatz kann jedoch auch Spannungen hervorrufen. Arbeitgeber in schnelllebigen, innovativen Branchen scheuen sich möglicherweise vor der Zusammenarbeit mit öffentlichen Einrichtungen, wenn sie den Prozess als zu langsam oder bürokratisch empfinden. Andere wiederum betrachten die öffentlichen Arbeitsverwaltungen möglicherweise lediglich als Rekrutierungsinstrument und nicht als langfristigen Partner.

Die Frage ist also: Werden die öffentlichen Arbeitsverwaltungen in der Lage sein, sinnvolle und dauerhafte Partnerschaften mit dem privaten Sektor aufzubauen – oder wird ihre Rolle auf einmalige Konsultationen reduziert? Und gibt es neben Subventionen und Steuererleichterungen echte Anreize für Unternehmen, in grüne Kompetenzen zu investieren?

Strategische Vision: ehrgeizig, aber fragmentiert

Das Dokument geht über praktische Instrumente hinaus und untersucht auch langfristige Strategien. Es fordert die öffentlichen Arbeitsverwaltungen auf, eigene Strategien für den grünen Wandel zu entwickeln und versucht zu definieren, was „grüne Arbeitsplätze“ eigentlich sind. Dabei wird auf den Mangel an universellen Definitionen und die Bedeutung des lokalen Kontexts hingewiesen.

Dies wirft eine zentrale Frage auf: Sind die öffentlichen Arbeitsverwaltungen in der Lage, eigene Strategien zu entwickeln, oder setzen sie lediglich die Vorgaben von Ministerien und zentralen Behörden um? Das Instrumentarium scheint ein hohes Maß an lokaler Autonomie vorauszusetzen, doch in vielen EU-Ländern ist die Dezentralisierung nach wie vor begrenzt. Dennoch wird der grüne Wandel nur gelingen, wenn die Maßnahmen auf die Besonderheiten der regionalen Arbeitsmärkte und Arbeitskräfte zugeschnitten sind.

Abschließende Gedanken: Ein Toolkit ist nur so gut wie das System dahinter

Das neue PES-Toolkit sendet eine klare Botschaft: Öffentliche Arbeitsverwaltungen können und sollten eine wichtige Rolle bei Europas grüner Transformation spielen. Damit diese Vision Wirklichkeit werden kann, müssen die PES jedoch erhebliche interne Veränderungen durchlaufen – strukturell, finanziell und strategisch.

Junge Menschen, die heute ins Berufsleben eintreten, werden bei diesem Wandel eine Schlüsselrolle spielen. Sie brauchen Institutionen, die nicht nur reaktionsschnell und zukunftsorientiert sind, sondern ihnen auch dabei helfen, eine Karriere in einer grünen, nachhaltigen Zukunft aufzubauen. Das Toolkit ist ein vielversprechender Anfang – doch vieles wird von seiner effektiven Umsetzung abhängen.

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